Paraguay ohne Bündnispartner in Südamerika!

Die Präsidenten des südamerikanischen Staatenbundes Unasur und des Wirtschaftsbündnisses Mercosur sind aufgrund der besonderen Lage zu einem Doppel-Gipfeltreffen in Mendoza, Argentinien zusammen gekommen. Dort haben sie den vorläufigen Ausschluss Paraguays aus dem Mercosur beschlossen und Paraguay seine aktuelle Präsidentschaft in der Unasur aberkannt.

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für die Welt und in die Richtung Europas und der deutschen Regierung: Die Frage, ob das blitzartige Amtsenthebungsverfahren nach demokratischen Spielregeln verlaufen ist, ist von den Nachbarstaaten und Bündnispartnern Paraguays mit "Nein" beantwortet worden. Darauf sollte die EU reagieren, indem es Südamerika seine Unterstützung öffentlich zusagt.

Entwicklungsminister Niebel begeht diplomatisches Fauxpas

Besonders Deutschland hat etwas gut zu machen: Es war der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel, der dem frisch ernannten Präsidenten Paraguays, dessen Legitimität nun angezweifelt wird, als erster die Hand schüttelte und ihm Kontinuität in der Zusammenarbeit versicherte. Das Auswärtige Amt hat sich bereits leise von diesem vorschnellen Schritt distanziert, eine öffentliche Positionierung steht aber noch aus.

Ein Blick zurück: Am 22. Juni 2012 überschlugen sich in Paraguay die Ereignisse. Erst einen Tag vorher hatte  das Parla­ment mit großer Mehrheit die Eröffnung eines Amtsenthebungsver­fahrens gegen den amtierenden Präsidenten Fernando Lugo – ehemaliger katholischer Befreiungstheologe, Priester der Armen und Landlosen und  zuletzt "Bischof der Armen" – mit großer Mehrheit beschlossen. Bereits 24 Stunden später wurde das Verfahren beendet, der Präsident wurde – erneut mit eindeutiger Mehrheit – schuldig gesprochen, seines Amtes enthoben und durch seinen Vize, Federico Franco ersetzt.

Südamerika gemeinsam für die Demokratie

Während auch die Anhänger Lugos resigniert einräumten, dass das Verfahren an sich verfassungsrechtlich nicht angreifbar sei, so urteilten doch die Außenminister der südamerikanischen Staatengemeinschaft geschlossen: dem Präsidenten wurde nicht einmal die Zeit für eine ordentliche Verteidigung zugestanden und das gesamte Verfahren aus machtpolitischen Interessen durchgeführt – es geschah nicht in Einklang mit demokratischen Normen. Wir Grünen haben uns ebenfalls von der ersten Minute an für eine kritische Haltung gegenüber dem Verfahren stark gemacht. Schließlich wurde hier ein demokratisch gewählter Präsident abgesetzt.

Der Außenseiter Lugo hatte es 2008 mit einem historischen Wahlsieg geschafft, die 61-jährige Regierungszeit der konservativen Colorado-Partei zu beenden. Viele Erwartungen knüpften sich an seine Amtszeit, seine Macht basierte aber auf einer Regierungskoalition, die schwächer nicht sein konnte. So wurde sie u.a. durch die Liberalen – die Partei Federico Francos, Lugos Amtsnachfolger – getragen, die ein Bündnis mit ihm nur eingegangen waren, weil sie mit Lugo an der Spitze einen Machtwechsel für möglich hielten.

Deutschland trägt Mit-Verantwortung

Hinter den Vorgängen steht ein uralter Konflikt: die ungleiche Verteilung von Land in Paraguay. Rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche gehören einer verschwindend kleinen Anzahl an Großgrundbesitzern. Ihre Macht und ihr Erfolg basiert auf der lukrativen, in den letzten Jahren stark ausgeweitete Produktion von Gen-Soja, das als Futter auch für die deutsche Fleischproduktion exportiert wird. Die Großgrundbesitzer, die zu einem großen Teil aus Brasilien eingewandert sind, bilden eine durchsetzungsstarke Lobby in den traditionellen Parteien des "Königreichs der Soja", wie man die südlichsten Staaten des Kontinentes auch nennt. Die Kleinbäuerinnen und -bauern hingegen werden von den großen Sojafarmern von ihrem Land verdrängt.

Die ungeordneten Landbesitzverhältnisse und der scheinbar legale Landzukauf der vermögenderen Farmer entrechtet die seit Generationen wirtschaftenden - indigenen - Bauern. Lugo war zu einer Identifikationsfigur für eine Bewegung geworden, die diesem Zustand mittels einer Landreform begegnen wollte.

Auf wessen Seite steht eigentlich die europäische Union?

Die Ereignisse der letzten Tage in Paraguay werfen Fragen auf und zeigen deutlich eine politische Kluft zwischen einigen lateinamerikanischen Staaten und Deutschland, bzw. der EU. Während erstere ihre Botschafter aus Paraguay abrufen, zeigt sich Deutschland in der Person Niebels in einer Front mit Spanien, Kanada und dem Vatikanstaat und legt mit seinem Besuch eine Anerkennung der neuen Regierung nah. Nun ist es an Außenminister Westerwelle, den Fehler seines Parteikollegen auszubügeln und sich im Namen der Demokratie hinter die Entscheidung der Südamerikanischen Staatengemeinschaft zu stellen.

Überfällig war auch die nun erfolgte erste Reaktion Europas. Der Präsident des Europäischen Parlamentes  Martin  Schulz brauchte seine Besorgnis angesichts der Absetzung Lugos zum Ausdruck und informierte, dass das EP eine Delegation entsenden könnte, "um die Vorgänge genau beurteilen zu können und gegebenenfalls die notwendigen Konsequenzen zu ziehen".

Wir fordern die deutsche Regierung auf, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass eine solche Delegation zustande kommt, damit die Regierungen der EU zu einer gemeinsamen Position finden, die den Schutz und die Stärkung der Demokratie vor alle ökonomischen Interessen stellt. Dazu gehört auch, die Verhandlungen der EU mit dem Mercosur grundsätzlich zu überdenken. Das Assoziierungsabkommen sollte die Zusammenarbeit für die Demokratie stärken und nicht wie bisher den Handelsteil in den Vordergrund stellen.