Niebel in Paraguay: Ohne jedes politische Gespür
Zur Amtsenthebung des Präsidenten Paraguays, Fernando Lugo, und zum Treffen von Entwicklungsminister Niebel mit dem unter dubiosen Umständen an die Macht gekommenen Federico Franko erklärt Thilo Hoppe, MdB:
Paraguays Präsident Fernando Lugo ist erst wenige Stunden zuvor auf dubiose Weise seines Amtes enthoben worden, als Entwicklungsminister Niebel bei seinem Staatsbesuch dem frisch gebackenen Nachrücker Federico Franco die Hand schüttelt und ihm Kontinuität in der Zusammenarbeit versichert. Hier wären mehr Sensibilität und politische Feinfühligkeit gefragt und vor allem eines: Abwarten. Die FDP darf nicht den gleichen Fehler machen wie 2009 in Honduras und schneller als die internationale Gemeinschaft und die südamerikanischen Nachbarländer eine Regierung anerkennen, deren Legitmität von vielen Seiten angezweifelt wird.
Auch wenn das Verfahren der Amtsenthebung Lugos auf den ersten Blick rechtlich nicht angreifbar zu sein scheint, so werfen doch die Begleitumstände der handstreichartigen Abwahl sowie Absprachen zwischen verschiedenen Interessengruppen, die es offensichtlich vorher gegeben hat, viele Fragen auf. Die Regierungen nahezu aller südamerikanischer Länder sind sich einig: Ein Angeklagter hat das Recht auf eine ordentliche Verteidigung. Diese wurde Präsident Lugo verwehrt, denn die Absetzung hat gerade einmal 24 Stunden gedauert. Ausnahmslos alle Mitglieder der südamerikanischen Staatenunion UNASUR sind zutiefst erschüttert über die Art und Weise, wie Lugo nur neun Monate vor den nächsten Wahlen aus dem Amt katapultiert wurde.
In einer ersten Reaktion der Außenminister der UNASUR haben sie Federico Franco nicht als Nachfolger von Lugo anerkannt, weil sie das festgeschriebene Bekenntnis der Staatengemeinschaft zur Demokratie in Frage gestellt sehen. Alle Regierungen äußern tiefe Besorgnis, einige unter ihnen sprechen sogar von einem verdeckten Putsch.
Nächste Woche werden die Regierungschefs tagen, um zu einer gemeinsamen Position zu finden und die nächsten Schritte zu beschließen. Sanktionen von Seiten der UNASUR, bspw. ein Ausschluss aus dem Mercosur oder eine Unterbrechung diplomatischer Beziehungen, werden nicht ausgeschlossen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, die Entscheidung der UNASUR abzuwarten und nicht voreilig im Alleingang Schritte einzuleiten, die die demokratische Entwicklung in Südamerika schwächen könnten.
Wir befürworten zwar deutlich die von Entwicklungsminister Niebel angekündigte Unterstützung seitens Deutschlands für eine Landreform in Paraguay und Entwicklungsmassnahmen im ländlichen Raum. Diese Kooperation kann aber nur mit einer von der UNASUR und der Staatengemeinschaft offiziell anerkannten Partnerregierung ausgebaut werden.
Was haben Dirk Niebel und Thilo Hoppe gemeinsam? Sie waren jeweils die ersten deutschen, ja sogar europäischen Politiker, die den neuen Präsidenten von Paraguay besucht haben - Hoppe/Lugo (Foto: 2008, gleich nach dessen Wahl) und Niebel/Franco (gestern, am 23. Juni).