Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sind zu wenig auf Entwicklung ausgerichtet

Am 25. März 2009 wurden dem Europäischen Parlament zwei der umstrittenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Staaten der Afrika-Karibik-Pazifik-Gruppe (AKP) zur Ratifizierung vorgelegt. Bündnis 90/Die Grünen stehen diesen Abkommen, die unter der Abkürzung EPAs (Economic Partnership Agreements) bekannt sind, sehr kritisch gegenüber. Unserer Meinung nach sind sie zu sehr auf Freihandel und viel zu wenig auf die Förderung von Entwicklung ausgerichtet. Ziel der EPAs ist es, für beide Seiten vorteilhaft zu sein und einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur regionalen Integration der AKP-Staaten zu leisten. Diesem Anspruch werden sowohl die umfassenden EPAs mit der Karibik-Region und der Elfenbeinküste als auch die subregionalen und bilateralen Interims-Abkommen mit afrikanischen und pazifischen Staaten nicht gerecht.

Kurskorrektur erforderlich

Die Zivilgesellschaften und Parlamente in den Entwicklungsländern – aber auch westliche Nichtregierungsorganisationen - fordern daher richtigerweise grundlegende Korrekturen. Es kann nicht sein, dass den AKP-Staaten durch die Abkommen das Recht genommen wird, ihre fragilen Märkte und jungen Industrien durch Zölle, Exportsteuern und Importbegrenzungen zu schützen. Für die Armut- und Hungerbekämpfung ist es besonders wichtig, die lokale und regionale Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern zu fördern. Es ist geradezu zynisch, dass die EU in den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen einerseits Liberalisierung von den AKP-Staaten verlangt, andererseits den eigenen Bauern und Bäuerinnen in Europa seit Januar 2009 wieder Exportsubventionen für ihre Milchprodukte zahlt. Die Wiedereinführung dieser Exportsubventionen widerspricht dem Geist der EPAs und den Verhandlungen auf der WTO-Ebene; sie verdrängt traditionelle Milcherzeuger in den Entwicklungsländern von ihren Märkten und verhindert so den Auf- und Ausbau eigener Strukturen in diesen Ländern.

Zeit für ausführliche Verhandlungen notwendig                             

Zu kritisieren ist auch die Art und Weise wie die Europäische Kommission mit den Partnerregierungen der AKP-Staaten verhandelt (hat). Die EPAs stellen für die Regierungen der AKP-Staaten eine große Herausforderung da. Niemand kann mit Sicherheit sagen, welche Folgen die Abkommen in den einzelnen Ländern mit sich bringen. Statt starken zeitlichen und politischen Druck zu erzeugen, müssen daher genug Zeit und Raum für ausführliche Verhandlungen gewährt werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen globalen Weltwirtschafts- und Finanzkrise, deren Auswirkungen in den vorliegenden Abkommen überhaupt nicht bedacht werden.

Entwicklungspartnerschaftsabkommen statt reine Freihandelsabkommen  

Wir plädieren zudem für volle Flexibilität bei den Interims- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: den AKP-Staaten muss erlaubt sein, den Rhythmus und die Bedingungen der Marktintegration entscheidend selbst zu gestalten. Für alle Güter muss ein effektiver Schutzmechanismus eingerichtet werden dürfen, der die zeitweise Anhebung bzw. Wiedereinführung von Zöllen erlaubt, wenn durch EU-Importe Ziele der Ernährungssicherung, der ländlichen Entwicklung und der Armutsbekämpfung gefährdet werden. Auch dürfen die AKP-Staaten nicht gezwungen werden, andere Disziplinen wie Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich oder Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums in spätere EPA-Verhandlungen automatisch einbeziehen zu müssen. Freihandelsabkommen sind erst dann für beide Handelspartner von Nutzen, wenn sich ihre Märkte auf dem gleichen Niveau befinden. Wir begrüßen daher die Ankündigung der EU-Handelskommissarin Catherine Ashton, dass es bei zukünftigen Verhandlungen neue, entwicklungsfreundliche Zugeständnisse der EU an die Partnerländer geben soll. Für die aktuellen EPAs, die gerade im EU-Parlament zur Abstimmung standen, kommt dieses Umdenken allerdings zu spät.

 

Thilo Hoppe im AwZ-Gespräch mit Catherine Kimura, Vorsitzende des Handelsausschusses der East African Legislative Assembly und Pauline Ndoumou, EPA-Expertin bei der Nichtregierungsorganisation ACORD.