Rede zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Partnerländern sind bisher meist unter hoher Geheimhaltungsstufe ausgehandelt worden. Parlamentariern, kritischen Journalisten und NGOs wurden kaum Einblicke gewährt, wohl aber den Wirtschaftsverbänden und den Vertretern großer Unternehmen. Um kaum eine andere Abteilung der Europäischen Kommission scharten und scharen sich mehr Lobbyisten als um die DG Trade, um die Generaldirektion Handel. Aber inzwischen haben das Europäische Parlament und – das ist neu – auch die nationalen Parlamente mehr Mitwirkungsmöglichkeiten bekommen. Sie sind zwar noch unzureichend, aber immerhin: Handelspolitik kann nicht mehr in der Dunkelkammer gemacht werden, und das ist auch gut so.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Das hat sich auch schon im Deutschen Bundestag ausgewirkt. Handelsabkommen werden nicht einfach nur nebenbei zur Kenntnis genommen, sondern es wird endlich auch in unseren Ausschüssen über sie diskutiert, sie werden auf den Prüfstand gestellt, in Anhörungen durchleuchtet, kritisch hinterfragt und – wenn auch, wie jetzt, zu später Stunde – im Plenum öffentlich debattiert. Da hat sich wirklich schon etwas verändert. Das sieht man auch daran, dass das Freihandelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien hier im Bundestag kürzlich von der Opposition geschlossen abgelehnt wurde.
Spannend wird sein, was im Bundesrat geschieht. Denn dieses Abkommen kann nur dann ratifiziert werden und in Kraft treten, wenn auch der Bundesrat zustimmt. Dort haben SPD, Grüne und Linke die Mehrheit. Wir warten also gespannt darauf, was am 3. Mai dieses Jahres geschieht. Es kann sein, dass dieses Abkommen die erforderliche Zustimmung nicht bekommt. Was dann geschieht, darüber gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen.
Nach unserer Meinung – sie wird gestützt durch ein neues Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages und durch Studien von Wirtschaftswissenschaftlern und Völkerkundlern – tritt dann nicht, wie hier behauptet, der Handelsteil des Abkommens in Kraft und nur die anderen Teile nicht, sondern nach dieser Rechtsauffassung muss dann das gesamte Abkommen nachverhandelt werden. Das wäre ein starkes Signal in Richtung der DG Trade der EU-Kommission: kein Weiter-so in der Handelspolitik, kein Festhalten am Liberalisierungsdogma um jeden Preis, sondern stärkere Beachtung von Sozial- und Umweltstandards und von Menschenrechtskriterien!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Heute geht es um ein Assoziierungsabkommen mit Zentralamerika, das genauso umstritten ist wie das Freihandelsabkommen mit Peru und Kolumbien. Auch im Hinblick auf dieses Abkommen ist zu befürchten, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft in den Partnerländern unter die Räder kommt und von hochsubventioniertem Milchpulver und anderen Molkereiprodukten aus europäischer Überschussproduktion überschwemmt wird.
Es ist auch zu befürchten, dass Wirtschaftssektoren stimuliert werden, in denen es schon jetzt zu massiven Umweltschäden, zu Zwangsvertreibungen von Indigenen und Kleinbauern und zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Die Debatte über die kolumbianische Steinkohle, die gerade ausgetragen wurde, haben wir alle ja noch im Ohr. Das gleiche Problem besteht auch in Zentralamerika. Bestimmte Wirtschaftssektoren, gerade der exzessive Anbau von Palmöl und Bergbauaktivitäten, würden durch dieses Abkommen enorm stimuliert werden. Das würde zu Gewinnen für einige wenige führen, hätte aber fatale Folgen gerade für arme Bevölkerungsgruppen. Sogar die von der EU-Kommission selbst in Auftrag gegebene Nachhaltigkeitsfolgenabschätzung kommt zu dem Ergebnis, dass durch das Abkommen der Druck auf das Land erhöht wird und dadurch auch Landkonflikte – Stichwort „Land-Grabbing“ – weiter verschärft werden.
Es waren nicht nur einige wenige, sondern mehr als 40 Nichtregierungsorganisationen, darunter auch das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ und das katholische Hilfswerk „Misereor“, die dringend an uns appelliert haben, dieses Abkommen in dieser Form nicht zu unterzeichnen. Auch der katholische Bischof von Guatemala, Bischof Ramazzini – viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag kennen ihn –, hat uns bei mehreren Podiumsveranstaltungen eindringlich gebeten, dieses Abkommen genau zu prüfen und es in dieser Form nicht zu unterzeichnen.
Wir könnten ein klares Signal setzen –