Doha: Das Überleben in einer wärmeren Welt möglich machen

Am letzten Tag der UN-Klimakonferenz in Doha herrscht bedrückte Stimmung und viele TeilnehmerInnen schließen ein Scheitern des Gipfels nicht aus. Es liegt kein Abschlussdokument vor. Die Arbeitsgruppe, die einen Verhandlungstext vorlegen sollte, geht ohne Ergebnis auseinander. Es sind weder Fortschritte bei den Verhandlungen um die Fortführung des Kyotoprotokolls, noch  um die Anhebung des CO2-Reduktionszieles der EU zu verzeichnen.

Positiv beurteilt wird allein die Ankündigung der Bundesregierung, dass Deutschland 2013 und 2014 jeweils 400 Millionen Euro zusätzlich für den Klimaschutz in Entwicklungsländern bereit stellen wird und die europäischen Staaten zusammen für 2013 rund sechs Milliarden Euro zugesagt haben. Es ist ein gutes Zeichen, wenn einige Länder mit gutem Beispiel vorangehen. Aber es reicht nicht aus!

Wir erwarten mehr von der Bundesregierung

Schaut man genauer hin, hat Deutschland gestern keine neuen Finanzzusagen gemacht. Die Zusagen sind so bereits seit Beginn der Haushaltsverhandlungen im Regierungsentwurf vorgesehen. Nicht Neues also! Dazu kommt, dass der größte Teil dieser Mittel aus dem Energie- und Klimafond stammen. Dieser finanziert sich ausschließlich über Gewinne aus dem CO2-Handel. Da der Marktpreis für die CO2-Zertifikate derzeit aber viel zu gering ist, stehen die Mittel nicht mit Sicherheit zur Verfügung.

Wir fordern von der Bundesregierung deutlich zu machen, wie Deutschland seinen angemessenen Beitrag dazu leisten wird, dass die Staatengemeinschaft ihr Versprechen einlöst, bis 2020 100 Milliarden US Dollar jährlich für den internationalen Klimaschutz bereit zu stellen. Die Entwicklungsländer brauchen Planungssicherheit, um beispielsweise die langfristige Umgestaltung ihrer Energieversorgung und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels angehen zu können. Dabei muss deutlich werden, dass steigende Klimamittel nicht zu Lasten der Armutsbekämpfung gehen.

Wir Grünen im Bundestag haben einen Finanzierungsplan ausgearbeitet, aus dem hervorgeht, wie wir in Regierungsverantwortung innerhalb einer Legislaturperiode das 0,7 Prozentziel erreichen und einen angemessenen Aufwuchs bei den internationalen Klimamitteln bereit stellen werden. Die Bundesregierung hat keine Antworten auf diese wichtigen Fragen gegeben.

Klimagerechtigkeit ist eine Frage der Menschenrechte

Am Rande des gestrigen Konferenztages fand auch eine Veranstaltung mit deutscher Beteiligung statt, bei dem es um die Rolle Europas bei der Unterstützung von Klimaanpassungsmaßnahmen ging. Bei dem Treffen wurden Beispiele ganz spezifischer Anpassungs-Projekte vorgestellt sowie innovative Ansätze der Finanzierung von Klima-Maßnahmen mit privaten Mitteln. Die Ansätze sind positiv, ersetzen aber nicht eine langfristig geplante und mutige Bereitstellung öffentlicher Mittel. Nur diese können den Schutz und das Management öffentlicher Güter im Sinne des Gemeinwohls garantieren.

Ihre Bereitstellung ist eine Frage der Gerechtigkeit. Die Folgen des Klimawandels gehen auf das Konto einiger weniger Industrieländer, die ihren Lebensstandard einem nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauch verdanken. Umso weiter der Klimawandel voran schreitet und umso erfolgloser die Minderungsbemühungen, umso wahrscheinlicher wird es, dass teure und umfassende Anpassungsmaßnahmen in Ländern notwendig werden, die nichts oder fast nichts zum Klimawandel beigetragen haben.

Bereits heute leiden viele Menschen unter Folgen des Klimawandels, die nicht selten auch längerfristig lebensbedrohliche Konsequenzen für sie haben. Ihnen wird ihre Einkommensgrundlage genommen, die Ernährungssicherung und sauberes Trinkwasser werden gefährdet. Im Falle eines weiteren Anstiegs der Erwärmung sind soziale Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen und Migrationsströme unausweichlich. Kleinere Gesellschaften, wie die der Inselstaaten, würden absehbar ihren Lebensraum einbüßen und müssten drastische Lösungen, wie Umsiedlungen, planen.

Entwicklungsländer fordern Gerechtigkeit – zu Recht!

Unter den zehn am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffenen Ländern befindet sich kein Industrieland. Die ärmeren Entwicklungsländer weisen eine besondere Verwundbarkeit gegenüber klimatischen Risiken auf. Sie bilden daher einen Block in den Klimaverhandlungen. Es gibt nämlich erhebliche Differenzen über die Frage, wie grundsätzlich mit nicht mehr vermeidbaren und bereits eingetretenen Schäden des Klimawandels umgegangen werden muss. Ethische Fragen, die Bereitschaft der Industrieländer große Summen bereit zu stellen und weitreichende Forderungen der Entwicklungsländer stehen hier im Raum.

Dazu zählen neben Fortschritten in den Verhandlungen zur Reduktion von Treibhausgasen eine angemessenen Finanzierung der Anpassung und der Kompensation bei Schäden, die bereits heute nicht mehr abzuwenden sind. Die Entwicklungsländer fordern Fortschritte in dem Arbeitsprogramms zu klimawandelbedingten Schäden, das in Durban auf den Weg gebracht worden ist, und Dynamik im Prozess um die Nationalen Anpassungspläne. Sie wollen einen Startschuss für den Aufbau eines internationalen Mechanismus, der auf  Schäden und Verluste reagiert. Zuletzt sollen die Industrieländer Klimaflüchtlinge aufnehmen und ihnen die volle Staatsbürgerschaft zugestehen.

Mutige Weichenstellungen im Agrarsektor notwendig

Ein zentrales Thema im Bereich der Klimaanpassung ist auch die Rolle der Landwirtschaft. Zählt man zu den direkten Emissionen der Landwirtschaft auch die indirekten Auswirkungen durch Landnutzungsänderungen wie Entwaldung gehen 32 Prozent der weltweiten Emissionen vom Agrarsektor aus. Gleichzeitig leiden Kleinbäuerninnen und Kleinbauern in Lateinamerika, Asien und Afrika schon heute besonders unter extremen Wettereignissen. Daher ist der Agrarsektor einerseits ein Verursacher für den Klimawandel; gleichzeitig sind die Menschen, die weltweit von der Landwirtschaft leben, besonders verletzliche Opfer.

Nicht zuletzt ist die Landwirtschaft aber auch ein Hoffnungsträger, weil sie durch nachhaltige Anbaumethoden und den Erhalt der Artenvielfalt einen Beitrag dazu leisten könnte, den Klimawandel zu stoppen. Die Entwicklungsländer wehren sich dagegen, die Landwirtschaft ausschließlich unter Aspekten der Treibhausgasverminderung und als Emittent zu diskutieren. Die Idee, die Landwirtschaft in den Emissionshandel einzubeziehen, weckt bei ihnen die Befürchtung, dass Boden auf seine Eigenschaft als Speicher für Treibhausgasemissionen reduziert würde.

Um statt dessen Ernährungssicherheit, Armutsbekämpfung und Anpassung an den Klimawandel sowie den Schutz des Klimas und der Umwelt intelligent miteinander zu verknüpfen, braucht es ein Umdenken. Maßnahmen wie die Förderung kleinbäuerlicher Produzenten und Viehhirten, lokal angepasste, ökologische Produktionsweisen, Forschung und Technologien, traditionelles Saatgut und adäquate Beratungssysteme, das Management landwirtschaftlicher Biodiversität und herkömmliche chemikalienfreie Lagerung müssen in den Vordergrund rücken.

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