So ist das Klima nicht zu retten!

Noch nie wurde so intensiv über das Klima diskutiert wie in den letzten Monaten und Wochen vor dem G8-Gipfel von Heiligendamm. Der Stern-Report der Weltbank, der Al-Gore-Film, die beiden IPCC-Berichte und weitere Gutachten, an denen im Auftrag der Vereinten Nationen mehr als 2000 Wissenschaftler mitwirkten, haben jeden Zweifel ausgeräumt: Wir erleben einen Zeitabschnitt von wirklich historischer Dimension. Gelingt es uns nicht, die Erderwärmung auf einen Anstieg von allerhöchstens zwei Grad zu begrenzen, werden Kettenreaktionen ausgelöst, unumkehrbare Prozesse, die zu katastrophalen ökologischen und sozialen Verwerfungen noch zu Lebzeiten unserer Kinder führen und darauf hinauslaufen können, dass die Erde unbewohnbar wird.

Das, was noch vor wenigen Jahren als "Horrorszenarien grüner Spinner" abgetan wurde, lässt sich jetzt berechnen und relativ exakt voraussagen. Knapp 13 Jahren haben wir noch Zeit, das Steuer herumzureißen und eine Politik in die Wege zu leiten, die für eine radikale Reduzierung des Ausstoßes von CO2 und anderen Treibhausgasen sorgt.

Nun wird diskutiert, ob der G8-Gipfel bezüglich dieser enormen Herausforderung als Scheitern oder "Schritt in die richtige Richtung" zu werten ist. Immerhin ist es gelungen, die USA mit an Bord zu holen – allerdings auf Kosten von verbindlichen CO2-Reduzierungszielen. Immerhin bekennen sich sechs der G8-Staaten dazu, bis 2050 ihren CO2-Ausstoß zu halbieren;  Klimaforscher halten jedoch eine Reduzierung um 80 Prozent für erforderlich.

Ob CO2-Reduzierungen von 50 oder 80 Prozent – im öffentlichen Bewusstsein scheint jedenfalls angekommen zu sein, dass es so nicht weiter geht und eine Kehrtwende nötig ist. Die große Mehrheit der Deutschen – da sind sich die Demoskopen einig – sehen die drohende bzw. sich bereits vollziehende Klimakatastrophe als die zur Zeit größte Gefahr und globale Herausforderung an.

Doch in der gleichen Ausgabe der Ostfriesen-Zeitung, in der in großer Aufmachung vom Klima-Gipfel berichtet wird, finden sich im Wirtschafts-, Regional- und Auto-Teil Artikel, die man mal neben die Heiligendamm-Berichterstattung legen sollte, um die ganze Widersprüchlichkeit, die große Kluft zwischen Theorie und Praxis, vor Augen gehalten zu bekommen.

Meine Kritik richtet sich nicht an die Boten, die die schlechten Nachrichten überbringen, sondern an die Akteure, die für den Stoff sorgen:

Während überall über Klimaschutz geredet wird, gibt die Kreisverwaltung Meppen bekannt, dass 2009 mit dem Bau eines neuen Steinkohlekraftwerks in Dörpen gerechnet werden kann.

VW stellt den "längsten Golf aller Zeiten" vor, der zwar relativ wenig Benzin verbraucht aber viel, viel CO2 in die Luft pustet und damit deutlich über den Grenzwerten liegt, für die sich die EU-Kommission stark macht. Die Schifffahrt meint, dass beim Umweltschutz vor allem "Augenmaß" nötig sei und warnt vor zu großen Belastungen.

Ansonsten diskutiert man in der Region überdimensionierte Straßenbauprojekte (wie die A22 und die Auricher "Stadtautobahn"), Genehmigungsverfahren für viele neue Hähnchenmastanlagen und den Bau von Biodiesel-Raffinerien und Blockheizkraftwerken, in denen vor allem Palmöl verarbeitet bzw. verfeuert wird, das aus Malaysia und Indonesien herangeschafft werden soll. Dort wird für den Anbau von Palmöl in Großplantagen der Regenwald abgefackelt. So genannter "Bio"-Sprit aus Palmöl hat eine miesere CO2-Bilanz als Diesel aus Erdöl.

Liebe Leute, so werden wir die CO2-Emmissionen überhaupt nicht reduzieren sondern sogar noch weiter steigern! Zwischen dem, was in Heiligendamm beschworen wurde und sich im Wirtschaftsgeschehen in der Region abspielt, liegen Welten!

Die Formel 20-10-4-1 macht die Dramatik der Herausforderung bewusst. 20 Tonnen CO2 pustet jeder US-Amerikaner pro Jahr in die Luft, zehn Tonnen jeder Europäer, vier Tonnen jeder Chinese und eine Tonne jeder Afrikaner. Unsere Erde und ihre Schutzhülle vertragen aber gerade mal einen CO2-Austoß von zwei Tonnen pro Erdenbürger und Jahr.

Wir brauchen eine Neuauflage und Intensivierung des Rio-Prozesses, der Agenda 21, auf allen Ebenen – auch auf der regionalen. Die auf dem Nachhaltigkeitsgipfel 1992 in Rio de Janeiro beschlossene Agenda 21 fordert: Wir müssen unsere Art zu Wirtschaften und zu Konsumieren so ändern, dass Menschen in anderen Erdteilen nicht die Existenzgrundlage entzogen wird und unsere Erde nachfolgenden Generationen erhalten bleibt!

Mein Eindruck ist, dass in der regionalen Wirtschaftsförderung sehr einseitig im Vordergrund steht, was Arbeitsplätze schafft und das Gewerbesteueraufkommen verbessert. Die großen globalen Diskussionen werden irgendwie in einem "anderen Programm" geführt oder ganz ausgeblendet.

Wir sollten den G8-Gipfel von Heiligendamm zum Anstoß nehmen, regionale "Gipfel-Treffen" durchzuführen, Zukunftskonferenzen, auf denen Vertreter der  Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Umweltschutzverbände und der Kirchen mit den Politikern über die regionalen Entwicklungsziele diskutieren – Ziele, die die Region voranbringen und die globale Verantwortung nicht ausblenden.

Ob in der Ems-Dollart-Region, im neuen Regionalrat der Ems-Achse oder im zukünftigen Regionalrat für Ostfriesland:  Nirgendwo darf die Diskussion allein davon bestimmt sein, wie verhindert werden kann, dass die Region "abgehängt" wird. Es muss auch um die Frage gehen, wie eine wirklich nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschafts-, Agrar-, Umwelt- und Verkehrspolitik unter den real existierenden nationalen und internationalen Rahmenbedingungen in der Region gestaltet werden kann.

Wollen wir wirklich tatenlos zusehen oder gar noch fördern, dass beiderseits der Ems neue Dreckschleudern gebaut werden – oder den Nordwesten tatsächlich zu einer Modellregion für die sozial- und umweltverträglich Nutzung erneuerbarer Energien machen? Ebnen wir dem unbegrenzten Anstieg des motorisierten Individualverkehrs weiterhin alle (Asphalt)-Wege – oder setzen wir stärker auf umweltverträglichere Verkehrskonzepte? Fördern wir nachhaltig wirtschaftende bäuerlichen Familienbetriebe oder die Agrarfabriken mit Massentierhaltung? Wollen wir in der Region Wachstum um jeden Preis – oder geht es uns mehr um qualitatives Wachstum?

Auch wenn die großen Rahmenbedingungen in Hannover, Berlin und Brüssel oder gar vom Weltmarkt gesetzt werden, so gibt es doch auch Spielräume für die regionale Wirtschaftsförderung und die Kommunalpolitik, die genutzt werden sollten - weg von der Betonpolitik, dem "alten Denken", hin zu einem Streben nach einer nachhaltigen Entwicklung, hin zu einer regionalen Wirtschaftspolitik, die die aktuelle Klima-Diskussion aufnimmt und in konkretes Handeln vor Ort umsetzt.

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Mehr zu den Hintergründen im G8-Spezial.

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