WTO-Resümee: Hoppe beklagt "unerträgliche Entwicklungsrhetorik"
Das auf der WTO-Konferenz in Hongkong vereinbarte Auslaufen aller Agrarexportsubventionen bis 2013 dürfe im Nachhinein nicht als "Geschenk für die Entwicklungsländer" bezeichnet werden, für das die Industrienationen nun als Gegenleistung von den Ländern des Südens eine weit reichende Marktöffnung für Industriegüter und Dienstleistungen fordern könnten. Dies erklärte der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses des Deutschen Bundestages, der Grünen-Politiker Thilo Hoppe (Aurich) in einem Gespräch in Aurich.
Äußerungen von Bauernverbandspräsident Sonnleitner und Wirtschaftsminister Glos, die Europäer hätten in Hongkong der Dritten Welt gegenüber große Vorleistungen erbracht und bisher wenig dafür bekommen, bezeichnete Hoppe als "unerträgliche Entwicklungsrhetorik".
Schiedsgerichtsurteile der Welthandelorganisation WTO hätten die Europäische Union im Zuckerbereich und die USA im Baumwollbereich dazu gezwungen, ihre Agrarexportsubventionen zu beenden. Ähnliche Urteile seien auch für andere Agrarprodukte zu erwarten.
Agrarüberschüsse zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt zu verschleudern hätte nichts mit freier, geschweige denn mit sozialer Marktwirtschaft zu tun, sondern sei unlauterer Wettbewerb auf Kosten der Steuerzahler und zum Schaden der Bauern in den Entwicklungsländern. Diese "volkswirtschaftlich unsinnige und extrem ungerechte Praxis" endlich auslaufen zu lassen, sei längst überfällig gewesen du könne nicht als Wohltat oder großzügiges Entgegenkommen gegenüber dem Süden "verkauft" werden, erklärte Hoppe. Entsprechende Versuche der europäischen Delegation seien in Hongkong bei der großen Mehrheit der WTO-Mitgliedsländer auf scharfe Kritik gestoßen. Aus der Perspektive der Entwicklungsländer sei es ärgerlich, dass als Ergebnis der Hongkonger WTO-Konferenz die Agrarexportsubventionen erst 2013 und nichts wie zunächst anvisiert schon 2010 abgeschafft sein müssten.
Hoppe erklärt, er könne nachvollziehen, dass die Europäische Union und besonders Deutschland als Exportnation am weltweiten Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen für Industriegüter und Dienstleistungen interessiert seien. Forderungen in diesem Bereich dürften jedoch nicht mit Agrarthemen verquickt werden und müssten auch auf ihre Verträglichkeit für die Entwicklungsländer untersucht werden.
Die Europäische Union wolle lediglich eine zahlenmäßig begrenzte Gruppe der aller ärmsten Länder von der Forderung ausnehmen, ihre Zölle für Industriegüter zu senken. Eine allgemeine Zollsenkungspolitik, wie sie die Europäische Union und die Bundesregierung forderten, würde aber beispielsweise die sich noch im Aufbau befindende Industrie Kenias schutzlos der übermächtigen Konkurrenz aus Europa, Japan, China und den USA ausliefern. Die handelspolitischen Forderungen der Europäischen Union stünden im Krassen Gegensatz zur europäischen Entwicklungspolitik, die Ländern wie Kenia beim Aufbau einer eigenen Industrie helfe, erklärte Hoppe.
Die Senkung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen für Industrie-Güter und Dienstleistungen seien im Rahmen von verbindlichen WTO-Regeln nur dann zu verantworten und mit den Zielen einer allgemein geforderten "Entwicklungsrunde" vereinbar, wenn den Entwicklungsländern ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend Ausnahmeregelungen und ausreichende Schutzmechanismen zugestanden würden.