Welthungerreport: Keine Entwarnung
Zu den heute von der Welternährungsorganisation (FAO) vorgelegten neuen Zahlen erklärt Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung:
Aufgrund der neuen Bemessungsmethoden ist nicht klar, ob die Zahl der Hungernden weltweit tatsächlich zurückgegangen ist - von 925 Millionen auf 870 Millionen - oder ob dieser Fortschritt eher statistischer Natur ist.
Deutlich wird aber, dass es große regionale Unterschiede gibt. Während es im Kampf gegen den Hunger in Asien erfreuliche Erfolge zu verzeichnen gibt, steigt die Zahl der chronisch Unterernährten in Afrika und im Nahen Osten kontinuierlich an. Weltweit sind die Fortschritte seit 2007 deutlich abgeflacht – von Entwarnung kann also keine Rede sein.
Ursachen sind der Klimawandel, Bürgerkriege und der Aufkauf großer Landflächen durch nationale und ausländische Investoren, die dort Plantagen fürs Exportgeschäft anlegen - überwiegend für die Produktion von Agrotreibstoff und Futtermittel.
Auch der Anstieg der Nahrungsmittelpreise - enorm verschärft durch Spekulation - hat die Zahl der Hungernden in jenen Ländern erhöht, die auf Nahrungsmittelimporte angewiesen sind und über keinerlei oder schwache soziale Sicherungssysteme verfügen.
Erfolge in einigen Ländern machen allerdings auch klar, dass Hunger kein Schicksal ist sondern durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen überwunden werden kann. Gebraucht wird ein intelligenter Politikmix, der aus Investitionen in eine nachhaltige, standortangepasste und kleinbäuerliche Landwirtschaft besteht, Landgrabbing und ausufernde Spekulation mit Nahrungsmitteln eindämmt sowie Nahrungsmittelreserven und soziale Sicherungssysteme aufbaut.
Was der UN-Bericht nicht berücksichtigt, sind sowohl der Einfluss kurzfristiger Preisschwankungen sowie der „versteckte Hunger“, also die unzureichende Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen. Beides spielt jedoch eine bedeutende Rolle wenn man das Gesamtbild weltweiter Mangelernährung betrachtet. Der Welthunger-Index, der an diesem Donnerstag von der Deutschen Welthungerhilfe, IFPRI und Concern Worldwide vorgestellt wird, wird diese Lücke decken.
Dass pro Jahr immer noch 2,5 Millionen Kindern verhungern, obwohl weltweit mehr als genug Nahrung vorhanden ist, sollte Mahnung und Ansporn sein, den Kampf gegen den Hunger zu verstärken.