Welternährungstag 2012: Die eigene Verantwortung wahrnehmen
Im Vorfeld des Welternährungstags am 16. Oktober 2012 erklärt Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung:
Weiterhin hungert jeder achte Mensch auf der Welt, das belegen die neuesten UN-Statistiken. Auch der Welthunger-Index von Welthungerhilfe, IFPRI und Concern Worldwide zeigt auf, dass der Indexwert global seit 1990 zwar leicht zurückgegangen ist. Der Fortschritt wurde aber vor allem in den früheren 90ern erzielt, seit 1997 ist der Anteil der Unterernährten hingegen fast konstant geblieben. Die Lage bleibt demnach äußerst ernst.
Beide Erhebungen – der UN-Welthungerbericht und der Welthunger-Index – erfassen zudem nicht die Auswirkungen der Hungerkrise am Horn von Afrika sowie die extrem angespannte Ernährungslage in der Sahelregion. Sie stützen sich auf die aktuellsten Daten, die nur bis 2010 reichen. Es bedarf verstärkter Anstrengungen um diese Datenlücke zu füllen. Für Subsahara-Afrika bedeutet dies, dass die Zahlen noch nach oben korrigiert werden müssten.
Die Ursachen sind komplex: Klimawandel und Bodendegradation, Aufkauf oder Verpachtung großer Landflächen, bewaffnete Konflikte, die Marktmacht transnationaler Konzerne im Agrarsektor, ein stetig wachsender Fleischkonsum und Energieverbrauch, steigende Nahrungsmittelpreise und schwache oder inexistente soziale Sicherungssysteme. Dementsprechend bedarf es einer umfassenden Politikstrategie zur Überwindung des Hungers.
Auch in Deutschland müssen wir unsere Verantwortung für die globale Ernährungssituation wahrnehmen. Hier werden jährlich über 11 Millionen Tonnen Lebensmittel unnötig vernichtet. Von Verbraucherministerin Aigner fordern wir, endlich einen umfassenden Maßnahmenmix vorzunehmen, um die Verschwendung zu verhindern. Abgeschafft werden müssen unsinnige Agrarsubventionen, die auf Überproduktion und Masse statt Klasse setzen.
Ein Umsteuern brauchen wir auch bei Fleischkonsum und -erzeugung. Die deutsche Massentierhaltung produziert unter teils katastrophalen Bedingungen riesige Mengen Fleisch, nicht nur für den zu hohen Konsum im eigenen Land sondern auch für den Export. Dies wäre ohne den Import von Futtermitteln nicht möglich: Ganze 80 Prozent davon muss die EU einführen. Für unseren Fleischhunger und unsere Exportinteressen werden in Lateinamerika riesige Flächen Regenwald gerodet, die ansässige Bevölkerung vertrieben und durch den massiven Einsatz von Pestiziden steigen die Krebsraten dramatisch an.
Klar ist, dass Teller vor Trog, Tank und Tonne gehen muss. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass der Import von Biomasse an die Einhaltung strenger Menschenrechts- und Nachhaltigkeitskriterien gebunden wird.
Ein weiteres Problem ist die Spekulation mit Nahrungsmitteln, die die Preise und die Volatilität weiter in die Höhe treibt. Auf EU-Ebene laufen derzeit Verhandlungen zu Richtlinien, die der exzessiven Spekulation einen Riegel vorschieben könnten. Die Bundesregierung muss hier endlich Farbe bekennen und sich ausdrücklich für regulierende Maßnahmen einsetzen, so wie wir sie bereits vergangenes Jahr in einem Antrag vorgelegt haben.
Eine Lärmdemo mit 870 Töpfen diesen Sonntag in Berlin wird den Druck auf die Regierung verstärken.