Welternährungskonferenz in Madrid: Thema verfehlt!
Zum Ergebnis der Welternährungskonferenz der Vereinten Nationen in Madrid erklärt Thilo Hoppe, Sprecher der AG Globalisierung, Global Governance und Welthandel:
So wichtig es ist, angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise das Welthungerproblem nicht zu vergessen und dem Skandal, dass mittlerweile eine Milliarde Menschen ums Überleben kämpfen, mehr Aufmerksamkeit zu geben – die Konferenz in Madrid ist dieser Herausforderung nicht gerecht geworden. Statt kritisch Bilanz zu ziehen, was seit dem letzten Welternährungsgipfel getan und unterlassen wurde, versuchten sich alle Akteure ins rechte Licht zu setzen. Bei all dem Selbstlob wurde verschwiegen, dass viele Versprechungen, die auf dem Welternährungsgipfel im Mai 2008 in Rom gemacht wurden, bisher nicht eingelöst wurden. Von den damals zugesagten zusätzlichen 12 Milliarden Dollar zur Bekämpfung des Hungers sind noch nicht einmal 25 Prozent tatsächlich gezahlt worden.
Auch wenn viele gute Ideen in Madrid diskutiert wurden, einige Themen fielen fast vollständig unter den Tisch – zum Beispiel die besorgniserregende Tatsache, dass zurzeit viele private und staatliche Großinvestoren aus den Industrienationen und arabischen Ölstaaten riesige Flächen in Afrika aufkaufen oder leasen, um dort für den eigenen Bedarf Futtermittel für die Massentierhaltung und Energiepflanzen für die Treibstoffproduktion anzubauen. Großinvestitionen, die oft zur Verdrängung von Kleinbauern und Zerstörung der biologischen Vielfalt führen. Statt dieses Problem zu beleuchten und die Frage zu diskutieren, wie diesem Neokolonialismus durch Bodenreformen und Flächennutzungsplanung – orientiert an Menschenrechts- und Nachhaltigkeitskriterien – Einhalt geboten werden kann, wurden eher technische Pseudolösungen des Hungerproblems präsentiert. Doch die Welt mit Kunstdünger zu überziehen und die Produktion durch gentechnisch verändertes Saatgut steigern zu wollen, hilft nur multinationalen Konzernen wie Monsanto. Es schadet aber dem Klima und der Bodenfruchtbarkeit und treibt die Kleinbauern in den Entwicklungsländern an den Rand oder in die Schuldenfalle.
Es gab in Madrid auch klare Voten dafür, endlich die "Hausaufgaben" zu erledigen und die 2004 in Rom verabschiedeten Leitlinien zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung anzuwenden. Doch die aufrüttelnde Rede von Olivier de Schutter, Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung bei den Vereinten Nationen, stieß bei vielen Ländervertretern und Repräsentanten internationaler Organisationen auf taube Ohren.
Wir brauchen mehr Kohärenz im Kampf gegen den Hunger. Die Anfang 2008 von Generalsekretär Ban Ki Moon eingesetzte High Level Task Force ist ein lohnenswerter Versuch, die verschiedenen internationalen Organisationen und Agenturen an einen Tisch zu bringen. Ob die jetzt in Madrid propagierte "Neue Globale Partnerschaft für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit" tatsächlich zu mehr Kohärenz und einer effektiven Bekämpfung der Ursachen des Welthungers führt, muss bezweifelt werden. Politikdialoge mit dem Agrobusiness sind notwendig. Die Vertreter von Monsanto und Co dürfen aber auf keinen Fall in den Steuerungsgremien sitzen. Es dürfen keine von der Privatwirtschaft beeinflussten Parallelstrukturen zu den VN-Organisationen aufgebaut werden.
Unklar ist auch, welchen Kurs die Bundesregierung verfolgt: Eine Stärkung des Rechts auf Nahrung und einer nachhaltigen, an den Bedürfnissen der Armen ausgerichteten Landwirtschaft oder neue Exportoffensiven, die hauptsächlich den Interessen der eigenen Landwirtschaft und Ernährungsindustrie dienen. Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul und Agrarministern Aigner scheinen an einem Strang zu ziehen – aber in verschiedene Richtungen.
Thilo Hoppe ist Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.