Finanzkrise droht Hungerkrise zu verschärfen
Anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober erklären Thilo Hoppe, Leiter der AG Globalisierung, Global Governance und Welthandel, und Ulrike Höfken, Sprecherin für Ernährungspolitik und Verbraucherfragen:
Nicht nur die Finanzkrise, sondern auch die Welternährungskrise hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch zugespitzt. Die Zahl der bedrohlich chronisch unterernährten Menschen ist mit 923 Millionen auf einen historischen Höchststand geklettert und wird nach Prognosen der neuen Hunger-Task-Force der Vereinten Nationen bald die Milliardengrenze überschreiten. Bereits jetzt kämpft jeder siebte Weltbürger Tag für Tag ums Überleben. In 33 Ländern hat die Ernährungskrise schon zu sozialen Unruhen und Hungeraufständen geführt. Das rücksichtslos profitorientierte Vorgehen von Investmentbanken und Spekulanten hat seinen Teil zu dieser Krise beigetragen: skrupellose Spekulationen mit Agrarrohstoffen und Böden sind einer der Gründe für den enormen Anstieg der Nahrungsmittelpreise weltweit, der zu einer Verschärfung der Ernährungskrise geführt hat.
Wenn die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft nicht sofort einen Paradigmenwechsel vornehmen, rückt das erste Millenniumsentwicklungsziel, die Halbierung des Anteils der Hungernden und Armen bis 2015, in sehr weite Ferne. Die Finanzkrise zeigt: Regierungen sind durchaus fähig, zügig enorme Rettungsaktionen in die Wege zu leiten - wenn nur der politische Wille vorhanden ist. Die Welternährungskrise erfordert eine ebenso beherzte Rettungsaktion wie die Weltfinanzkrise.
Für eine langfristig erfolgreiche Lösung der Welternährungskrise muss das Recht auf Nahrung zur Grundlage für die Ausgestaltung der Strategien der ländlichen Entwicklung und Hungerbekämpfung werden. Hierfür müssen langfristig Nachhaltigkeits- und Menschenrechtskriterien für den gesamten Agrarsektor erarbeitet und umgesetzt werden.
Wir fordern die Bundesregierung auf:
- zehn Prozent der Mittel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit für die Förderung der ländlichen Entwicklung einzusetzen. Die Empfängerländer sind aufgefordert, ebenfalls zehn Prozent ihrer Staatshaushalte für ländliche Entwicklung bereitzustellen. Dies entspricht dem von der Hunger-Task-Force der Vereinten Nationen unterbreiteten Vorschlag einer "10-zu-10-Initiative".
- Die Initiative von EU-Kommissionspräsident Barroso zu unterstützen, eine Milliarde Euro ungenutzter Mittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Förderung der ländlichen Entwicklung in von der Ernährungskrise betroffenen Ländern einzusetzen.
- sowohl in den Entwicklungs- und Schwellenländern als auch bei uns eine nachhaltige, angepasste Landwirtschaft im Sinne der Empfehlungen des IAASTD-Bericht des Weltagrarrates zu fördern. Die grüne Gentechnik ist ungeeignet, das Hungerproblem zu lösen.
Gleichermaßen setzen wir uns für die Armutsbekämpfung in Deutschland ein. Wir laden ein zur Konferenz "Zwischen Welternährungskrise und Suppenküchen – Strategien gegen Armut und Hunger" am 28./29.11.08 in Berlin.
Ulrike Höfken ist Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Thilo Hoppe ist Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.