Europa streicht Mittel für die Zukunft des Planeten
Zur morgigen Abstimmung des Europäischen Parlamentes über den mehrjährigen Finanzrahmen und die Kürzungen der Entwicklungsgelder, erklären Thilo Hoppe, MdB und Ska Keller, MdEP:
Noch Ende Juni verkündeten die EU-MinisterInnen beim Ratstreffen in Luxemburg, dass die Europäische Union eine führende Rolle bei der Formulierung und Umsetzung neuer UN-Entwicklungsziele nach 2015 spielen wird. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten würden ihre Versprechen nicht brechen und ärmere Nationen sowie den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel stärker unterstützen - trotz der eigenen finanziellen Sorgen. Dieses Statement inmitten eines monatelangen Machtkampfes zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten um den Finanzplan der Union für die Jahre 2014 bis 2020 wird nun mit dem einsamen Vorpreschen des Parlamentspräsidenten Martin Schulz ad absurdum geführt.
Die Einigung ist ein fauler Kompromiss auf dem Rücken nicht nur der europäischen Jugend sondern auch der Ärmsten weltweit. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf einen mehrjährigen Finanzrahmen geeinigt, dessen Größenordnung sie schon im Februar festgelegt hatten. Das Parlament hatte diesem Entwurf, den die Mehrheit der Volksvertreter als ungenügend beurteilte, nicht zugestimmt. Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen war auch jetzt wieder mit den Ergebnissen zufrieden. Sie hatte von Beginn weder für ein starkes Europa noch seine führende Rolle für eine nachhaltige Entwicklung weltweit gekämpft. Wieder soll die Rubrik 4 für Auswärtiges Handeln, die neben dem europäischen Entwicklungsfonds (EEF) einen der beiden Eckpfeiler der EU-Entwicklungszusammenarbeit darstellt, um 19% und der EEF für die Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks um 11% gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag gekürzt werden.
Wenn morgen dank eines plötzlichen Umschwenkens der Sozialdemokraten der Entwurf des Finanzrahmens eine Mehrheit im Parlament findet, steht also für die europäische Entwicklungszusammenarbeit bedeutend weniger zur Verfügung als in der Vergangenheit. Angesichts der Tatsache, dass 2011 erst 5 von 27 Mitgliedsländern das 40 Jahre alte Versprechen eingelöst hatten, 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens für den Kampf gegen Armut und Hunger und für eine menschenrechtsbasierte Entwicklung weltweit auszugeben, ist das ein fatales Signal.
Auch das Erreichen unseres Grünen Zieles - bei Regierungsbeteiligung das 0,7 Prozent-Versprechen innerhalb einer Legislaturperiode zu erfüllen - wird durch die Kürzungen erschwert. Denn eine starke EU-Entwicklungsfinanzierung ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung des Zieles. Die Bundesregierung kanalisiert heute rund 20% der Entwicklungsgelder durch EU-Institutionen.
Auch wenn die Medien die Einigung schon besingen: Das Europäische Parlament muss morgen noch darüber abstimmen. Die grüne Fraktion im Parlament bleibt bei ihrer Haltung vom Februar diesen Jahres und wird sich nicht, wie die sozialdemokratische Fraktion, dem gestiegenen politischen Druck beugen.