Ernährungskrise: Nicht alles auf den Agrosprit schieben
Zum starken Anstieg der Getreidepreise und der von Entwicklungsminister Niebel ausgelösten Debatte um ein Verbot von E10 erklärt Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung:
Die enormen Preissteigerungen für Mais und Weizen sind eine Bedrohung für die Ärmsten der Armen und werden die Zahl der Hungernden weiter in die Höhe treiben. Die Preissteigerungen sind durch die Dürre in den USA und anderen Exportnationen ausgelöst und werden durch skrupellose Spekulation enorm verschärft.
Wenn Entwicklungsminister Dirk Niebel jetzt ein Verkaufsverbot für den mit Agrotreibstoff angereicherten Kraftstoff E10 fordert, fokussiert er die Diskussion auf nur einen preistreibenden Faktor und verschließt vor den anderen die Augen.
Es gibt eine Konkurrenz zwischen Tank und Teller, die auch durch den Agrotreibstoff-Beimischungszwang und die E10-Strategie der EU und der Bundesregierung angeheizt wird. Gerade in der jetzigen Situation muss die Agrotreibstoffproduktion gedrosselt werden - vor allem in den USA, die 40 Prozent ihrer Maisernte zu Bioethanol verarbeiten. Auch der Beimischungszwang der EU und die E10-Strategie gehören auf den Prüfstand.
Die weitaus größere Konkurrenz besteht jedoch zwischen Tank und Trog. Weltweit werden rund ein Drittel aller Ackerflächen für die Fleischproduktion benötigt. Besonders die Massentierhaltung in Deutschland verschlingt enorme Mengen von Futtermitteln, die auch aus Schwellen- und Entwicklungsländern importiert werden und dort den Anbau dringend benötigter Grundnahrungsmittel für Menschen blockieren sowie zu Abholzung von Regenwald führen. Dazu schweigt Niebel - ebenso wie zur ausufernden Spekulation mit Agrarrohstoffen, an der auch deutsche Banken und Versicherungen beteiligt sind.
Weder Vereinfachungen noch populistische Forderungen helfen weiter - sondern eine umfassende, kohärente Strategie zur Bekämpfung des Hungers. Dazu zählen Maßnahmen zur Eindämmung der Spekulation mit Nahrungsmitteln, wie wir sie bereits mit einem Antrag vorgeschlagen haben, ebenso wie eine Drosselung der Agrotreibstoffproduktion, die unter strenge Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsauflagen gestellt werden soll.
Vor allem aber müssen die Regierungen in den von Hunger betroffenen Regionen sowie die Entwicklungszusammenarbeit die lange vernachlässigte lokale Landwirtschaft fördern. Kleinbäuerinnen und –bauern, Viehhirten und Fischer in diesen Ländern müssen dabei unterstützt werden, Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung zu produzieren und dabei die natürlichen Ressourcen zu schonen. Ebenso bedarf es sozialer Sicherungssysteme und eines gerechten Welthandelssystems.