Brasilien im Rückwärtsgang: Zeitschinderei gefährdet Regenwald
Zur heute im brasilianischen Parlament angesetzten Debatte über das neue Waldgesetzes erklärt Thilo Hoppe MdB:
Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff setzt nur zwei Monate vor der Rio+20-Konferenz falsche Signale: Anstatt klar und deutlich für den Schutz des Waldes zu kämpfen, taktiert sie, damit das neue Gesetz erst nach der internationalen Tagung verabschiedet wird. Sie möchte nicht, dass das Gastgeberland Brasilien seinen Glanz verliert. Während Brasilien seit der ersten Rio-Tagung vor zwanzig Jahren als Vorzeigekind einer nachhaltigen Klimapolitik galt, könnten mit den Änderungen des alten Waldgesetzes grundlegende Rahmenbedingungen für die dritte Verhandlungsrunde zunichte gemacht werden.
Die Novellierungen des Gesetzes hätten in jeder Hinsicht fatale Auswirkungen auf Umwelt und Klima: Insgesamt 76,5 Millionen Hektar Wald sollen zur Abholzung freigegeben, illegale Rodungen vor dem Juli 2008 amnestiert werden, vorgesehene Grünflächen in der städtischen Erweiterung stehen vor der Streichung, Sanktionen gegen Umweltsünder der Wirtschaft ebenso.
Die neuesten Zahlen zeigen: Allein die Debatte um die Änderungen des ehemals progressivsten und wegweisendsten Umweltgesetzes zum Waldschutz führte im ersten Quartal 2012 zu einer Verdreifachung der illegalen Abholzung in Brasilien, da Großgrundbesitzer nicht zu Unrecht auf ex-post Amnestierung spekulieren.
Dilma Rousseffs Taktik ist durchschaubar. Eine wiederholte Vertagung der Abstimmung über die kritischen Passagen ist mehr als wahrscheinlich. Ein voraussehbares Schein-Veto der Präsidentin erlaubt ihr nur zu leicht, Brasilien weiterhin als Primus inter Pares der Klimadebatte zu positionieren, während sie im Hintergrund der Agrarlobby einen Freischein zu illegalen Großrodungen bietet.
Wir fordern Dilma Rousseff auf, sich eindeutig gegen die Gesetzesänderung zu positionieren, sonst gefährdet sie nicht nur den brasilianischen Wald, sondern außerdem die Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Rio+20-Konferenz. Brasilien sollte als Gastgeberland mit gutem Beispiel voran gehen.