Tornado-Einsatz in Afghanistan: Hoppe stimmt mit Nein
Thilo Hoppe, Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Aurich-Emden, hat am Freitag (9. März) bei der namentlichen Abstimmung über den Einsatz deutscher Tornado-Flugzeuge in Afghanistan mit Nein votiert.
In einer persönlichen Erklärung, die der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses des Deutschen Bundestages zusammen mit den beiden grünen Verteidigungsexperten Winfried Nachtwei und Alexander Bonde zu Protokoll gab, legt Hoppe Wert auf die Tatsache, dass er mit seinem Votum nicht den gesamten Bundeswehreinsatz in Afghanistan in Frage stellt.
„Leider ist eine militärische Absicherung des zivilen Aufbaus Afghanistans nach wie vor notwendig“, erklärte Hoppe in einer Pressemitteilung. Die afghanische Bevölkerung müsse so lange vor den Terrorangriffen der Taliban geschützt werden, bis die afghanische Sicherheitskräfte selber in der Lage seien, für einen ausreichenden Schutz zu sorgen.
Mit dem Einsatz deutscher Tornado-Flugzeuge laufe die Bundeswehr jedoch Gefahr, immer stärker in die amerikanische Militärstrategie hingezogen zu werden, die die Probleme eher verschärfe als sie zu lösen, erklärte Hoppe. Dörfer zu bombardieren, in denen man Taliban-Kämpfer vermute, führe zu hohen Opfern in der Zivilbevölkerung und bringe die Stimmung in der Bevölkerung zum Kippen.
Es gehe ihm und vielen Kolleginnen und Kollegen in der grünen Bundestagsfraktion nicht um das „Ob“ sondern um das „Wie“ eines Militäreinsatzes zur Absicherung des zivilen Aufbaus Afghanistans. Der Bundeswehreinsatz im Rahmen des ISAF-Mandats im Norden Afghanistans sei nicht zu beanstanden. Zusammen mit Hoppe verweigerte Knapp die Hälfte der Mitglieder der grünen Bundestagsfraktion dem Tornado-Einsatz die Zustimmung.
Sowohl in seiner persönlichen Erklärung als auch in seiner Pressemitteilung fordert Hoppe weitaus größere Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft und auch speziell Deutschlands beim Aufbau des afghanischen Bildungswesens, der Polizei sowie im Sektor ländliche Entwicklung."
(Ende der Pressemitteilung)
---------------------------------------------------------------------------
Erklärung nach § 31 GO
Schriftliche Erklärung zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und 1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“, Drucksachen 16/4298, 16/4571
Wir lehnen den Antrag der Bundesregierung zur Entsendung deutscher Tornados ab.
Der Stabilisierungs- und Aufbauprozess in Afghanistan durchläuft in diesem Jahr eine besonders kritische Phase. Nach der Verschärfung der Lage im Vorjahr muss die Internationale Gemeinschaft in den nächsten Monaten die Wende zum Besseren schaffen.
Für uns bleibt die nach Kapitel VII VN-Charta mandatierte ISAF-Schutztruppe weiterhin sinnvoll und notwendig. Ohne die militärische Friedenssicherung durch ISAF hätte es die bisherigen Teilerfolge in Afghanistan nicht gegeben. Wer jetzt zu einem Abzug der Bundeswehr und der ISAF-Truppen insgesamt aufruft, nimmt die Rückkehr
der Tailban an die Macht und den Zusammenbruch des Friedensprozesses in Kauf. Für die Stabilisierung und den Wiederaufbau Afghanistans ist das militärische Engagement der Staatengemeinschaft eine unverzichtbare Voraussetzung.
Unsere Ablehnung des Tornado-Einsatzes erfolgt nach sorgfältiger Abwägung. Die Aufklärungs-Tornados können nicht nur Aufklärungsmaterial zur Absicherung der Stabilisierungsoperationen von ISAF liefern. Sie tragen vor allem auch zur Kampfunterstützung in den umkämpften Provinzen im Süden bei. Seriösen Quellen ist zu entnehmen, dass im Süden und Osten vielfach militärisch undifferenziert und unverhältnismäßig gegen Aufständische vorgegangen und zugleich der Aufbau vernachlässigt wurde.
Eine auf Felderzerstörung fixierte Art der Drogenbekämpfung tat das Ihre zur Konfliktverschärfung. Dass dadurch mehr Feinde produziert und Freunde verloren wurden, ignoriert die Bundesregierung bisher. Es besteht also die akute Gefahr, dass Aufklärungs-Tornados zu einer kontraproduktiven und opferreichen Militärstrategie und Operationsführung beitragen.
Seit Monaten wird auf allen Ebenen der Staatengemeinschaft betont, dass die Konflikte in Afghanistan nicht militärisch zu lösen seien und dass es eines Strategiewandels sowie forcierter und effizienterer Aufbauanstrengungen bedürfe. Bisher bleiben die Taten weit hinter den richtigen Worten zurück. Das gilt für die Staatengemeinschaft insgesamt, wo eine deutliche Diskrepanz zwischen der proklamierten Revision der Stabilisierungsstrategie und dem tatsächlichen Forcieren einer primär militärischen Bekämpfung aufständischer Gruppen besteht. Das gilt insbesondere auch für die Bundesrepublik, die wohl seit fünf Jahren einen konzeptionell vorbildlichen Ansatz ziviler, polizeilicher und militärischer Maßnahmen vertritt, aber mit dem Tornado-Einsatz ihre militärischen Anstrengungen verstärkt und viel zu wenig für die weitaus dringlicheren zivilen Bemühungen tut. Wenn nun für die Tornados ungefähr so viele Millionen Euro in einem Jahr ausgegeben werden sollen wie für die deutsche Hilfe zum Polizeiaufbau in fünf Jahren (ca. 70 Mio.), und wenn die deutsche Polizeihilfe trotz des drängenden Bedarfs weitgehend unverändert bleibt, dann ist das kurzsichtig und halbherzig. Das bisherige Missverhältnis zwischen militärischem und zivilem Engagement wird somit vertieft statt überwunden.
Ohne mehr und besseren Aufbau bleibt jede militärische Anstrengung aussichtslos. Deshalb fordern wir eine „zivile Frühjahrsoffensive“.
Das NEIN zum Tornado-Einsatz ist ausdrücklich kein Aufruf zum Ausstieg aus dem multilateralen Projekt von Gewalteindämmung, Statebuilding und Friedensförderung, sondern ein Aufruf für eine Erfolgsstrategie in Afghanistan und ein dringender Warnruf, das schmale Zeitfenster für die Veränderung der Militärstrategie und der zivilen Anstrengungen jetzt zu nutzen. Seit Juli 2006 haben wir immer wieder gegenüber der Bundesregierung darauf gedrängt. Eine praktische Wirkung blieb weitgehend aus.
Wir unterstützen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die in Afghanistan eingesetzt werden, genauso wie die PolizistInnen, ZivilexpertInnen und HelferInnen. Wir werden deren Einsatz kritisch-konstruktiv begleiten und uns weiterhin dafür einsetzen, dass das in Afghanistan gut angesehene Deutschland dort seiner besonderen Verantwortung auch bestmöglich gerecht wird: im Einsatz für eine glaubwürdige, ausgewogene und wirklich hilfreiche Politik der Internationalen Gemeinschaft.
Berlin, 09.03.2007
Alexander Bonde, MdB
Winfried Nachtwei, MdB
Jürgen Trittin, MdB
Ute Koczy, MdB
Volker Beck, MdB
Thilo Hoppe, MdB
Bärbel Höhn, MdB
Gerhard Schick, MdB