Meine Bewerbung um den Vorsitz im Regionalrat Ostfriesland
Sehr geehrte Regionalratskolleginnen und -kollegen!
Nach reiflicher Überlegung und ermutigt nicht nur durch Mitglieder meiner Partei sondern auch durch Regionalratsmitgliedern aus anderen Fraktionen bewerbe ich mich hiermit um die Nachfolge von Garrelt Duin als Vorsitzender des Regionalrats Ostfriesland.
Ich war mit der Arbeit von Garrelt Duin als Regionalratsvorsitzenden zufrieden (auch wenn wir nicht in allen politischen Fragen einer Meinung waren) und wäre deshalb auch nicht auf die Idee gekommen, ihn als Vorsitzenden in Frage zu stellen.
Durch sein Ausscheiden aufgrund seiner Ernennung zum Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen ist nun aber eine neue Situation entstanden.
Ich bin jetzt der einzige Bundestagsabgeordnete des größten ostfriesischen Wahlkreises (Aurich-Emden) und ziehe daraus die Konsequenz, mein Engagement in der Entwicklungspolitik etwas zu reduzieren und dafür noch mehr Zeit und Gewicht auf die Arbeit in der Region und die Vertretung ostfriesischer Interessen in Berlin zu legen.
In meiner zweiten Ausschuss-Tätigkeit in Berlin, als stellvertretendes Mitglied des Bundestagsausschusses für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, lassen sich bundes- und europapolitische Perspektiven gut mit der Vertretung der Interessen der von bäuerlichen Familienbetrieben geprägten ostfriesischen Landwirtschaft verbinden.
Einige mögen sich jetzt vielleicht fragen, ob es denn einer in Ostfriesland zwar auf rund 12 Prozent gewachsenen aber dennoch klar hinter SPD und CDU auf Platz 3 liegenden Partei zustehe, den Regionalratsvorsitzenden zu stellen.
Darauf möchte ich antworten, dass der Vorsitz des Regionalrats überhaupt keiner Partei "zusteht" sondern durch eine geheime, demokratische Wahl ermittelt wird. Ich trete als Kandidat an, werbe um Vertrauen und bitte alle Fraktionen, mich vorher zu einem Gespräch einzuladen.
Als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung habe ich von 2005 bis 2009 die Sitzungen fair und sachlich geleitet und auch kontroverse Diskussionen und Anhörungen so moderiert, dass keine Fraktion bevorzugt oder benachteiligt wurde. Ich habe meine Rolle als Vorsitzender nie parteipolitisch ausgenutzt und dadurch das Vertrauen aller Fraktionen erworben. Sie können sich gern davon überzeugen, indem sie diejenigen befragen, die mich in meiner Funktion als Ausschuss-Vorsitzender vier Jahre lang als Obleute ihrer jeweiligen Fraktion erlebt und begleitet haben: MdB Dr. Sascha Raabe (SPD), MdB Dr. Christian Ruck (CDU/CSU), MdB a.D. Hellmut Königshaus (FDP) und MdB Hüseyin Aydin (Die Linke).
Auch dass mir der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Leitung der Kammer für nachhaltige Entwicklung anvertraut hat, in der auch Bundestagsabgeordnete aus der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion vertreten sind, spricht für Vertrauen in meine Bemühungen und Fähigkeiten, zu integrieren und Prozesse zu moderieren.
Würde ich zum Vorsitzenden des Regionalrats gewählt, so hätte ich - wie mein Vorgänger Garrelt Duin - im Ausschuss kein aktives Stimmrecht. Die Grünen wären dann aber im Ausschuss vertreten, ohne dass ein sich jetzt im Ausschuss befindendes Mitglied seinen Stuhl räumen müsste.
Ich würde mich dann aber sehr dafür einsetzen, dass alle im Regionalrat vertretenen Parteien mindestens durch ein Grundmandat im Ausschuss vertreten sind. Der Regionalrat wird nämlich nur dann erfolgreich arbeiten können, wenn er alle Fraktionen fair in seine Arbeit einbezieht und dies auch im Ausschuss bzw. in den evtl. noch zu bildenden Fachausschüssen zum Ausdruck kommt.
Mir ist völlig bewusst, dass ich als Vertreter einer kleineren Partei auch als Vorsitzender weder dem Regionalrat noch dem Ausschuss meinen Stempel aufdrücken könnte und selbstverständlich Mehrheitsentscheidungen respektieren müsste und würde.
Ich würde mich aber sehr dafür einsetzen, dass die anstehenden Debatten über Sinn und Arbeitsweise des Regionalrats und die Zukunft Ostfrieslands zügig auf die Tagesordnung kämen und offen und fair geführt werden.
Aber auch dies könnte nur gelingen durch vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den beiden stellvertretenden Vorsitzenden, Harm-Uwe Weber (SPD) und Dieter Baumann (CDU), sowie den weiteren Mitgliedern des Ausschusses.
Ich möchte vorschlagen, dass nach Ablauf der Hälfte der Wahlperiode der Vorsitzende und seine beiden Stellvertreter neu gewählt werden und könnte mir vorstellen, dann einen Wechsel im Vorsitz zu befürworten und mich um einen Stellvertreterposten zu bewerben.
Seien wir offen und ehrlich miteinander ! Es gibt im Regionalrat fraktionsübergreifend diejenigen, die den Regionalrat aufwerten wollen sowie andere, die dieser Entwicklung misstrauisch gegenüberstehen und eher den Status quo verteidigen. Vor allem in den Reihen der Vertreter aus dem Landkreis Wittmund gibt es Befürchtungen, der Regionalrat Ostfriesland könnte nur ein Vehikel sein, um eine Kreisfusion - also die Bildung eines Landkreises Ostfriesland - voranzutreiben.
Um es klar zu sagen: Wie Garrelt Duin gehöre auch ich zu denjenigen, die einem Landkreis Ostfriesland eher positiv gegenüberstehen. Doch allgemeine Vorbehalte sowie Ängste aus Wittmund – zum Teil auch aus Emden - müssen in jedem Fall ernstgenommen werden. Eine Kreisreform kann nur mit und niemals gegen den Willen der Bevölkerung durchgeführt werden. Am Ende eines intensiven Diskussionsprozesses, der so bürgernah wie irgend möglich geführt werden sollte, könnte eine Art Volksabstimmung in den betroffenen Gebietskörperschaften stehen.
Doch völlig unabhängig davon, ob es eines Tages zur Bildung eines Landkreises Ostfriesland kommt oder nicht sollte die Zusammenarbeit in Ostfriesland intensiviert werden - nicht in erster Linie durch freiwillige Vereinbarungen zwischen einigen Hauptverwaltungsbeamten sondern transparent und mit Hilfe eines demokratisch legitimierten Regionalrats.
In diesem Sinne möchte ich mich für die Überwindung von Kirchturmdenken und für mehr gemeinde- und kreisübergreifende Zusammenarbeit in Ostfriesland einsetzen, werbe um Ihr Vertrauen und bitte Sie um Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Hoppe