Bau von Kohlekraftwerken in Eemshaven

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- Stellungnahme von Thilo Hoppe für die niederländische Presse -

Nach den Plänen der großen Energiekonzerne sollten überall an der deutschen Nordseeküste und der Ems neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Inzwischen sind viele dieser Pläne wieder verschwunden, - aus ökologischen und ökonomischen Gründen.

In Deutschland hat es an allen Standorten, an denen Kohlekraftwerke gebaut werden sollten, heftige Proteste der Bevölkerung gegeben. Ein dänischer Investor wollte in Emden ein Kohlekraftwerk bauen, das nach dänischem Umweltrecht in Dänemark gar nicht hätte gebaut werden dürfen (und aufgrund der mehrheitlich negativen Einstellung der dänischen Bevölkerung gegenüber Kohlekraftwerken auch gar nicht durchsetzbar gewesen wäre). Aber auch die ostfriesische Bevölkerung ließ sich das nicht gefallen. Mehr als 6.000 Menschen demonstrierten in Emden. Noch viel mehr Protestunterschriften wurden gesammelt. Und der Protest gegen das Kohlekraftwerk wurde nicht nur von einer Bürgerinitiative, von Greenpeace und der Partei "Die Grünen" getragen – sondern auch von den Sozialdemokraten (SPD) und den Mehrheiten in den Kommunalparlamenten. Auch Vertreter der Kirchen und der Bauern trugen den Protest mit. Gegen die Mehrheit der Bevölkerung ließ sich das Projekt nicht realisieren. Der Investor zog sich zurück.

Ähnlich lief es auch in Dörpen. Auch dort war der Widerstand der Bevölkerung erfolgreich und die Pläne für den Bau eines neuen Kohlekraftwerks wurden gestoppt. Und in den letzten Tagen kam die Nachricht, dass auch der Bau eines neuen Kohlekraftwerks in Wilhelmshaven verhindert werden konnte.

Westlich der Ems sind damit alle drei geplanten neuen Kohlekraftwerke gestoppt worden. Und die Mehrheit der  Bevölkerung in dieser Region hofft sehr, dass sich nun auch auf der niederländischen Seite der Widerstand gegen den Bau von zwei neuen Kohlekraftwerken in Eemshaven regen wird. Denn der Wind weht meistens von Westen her und würde all die Schadstoffe aus den Schornsteinen in Eemshaven nach Ostfriesland herüber wehen.

Besonders ärgern sich viele Deutschen darüber, dass ausgerechnet der deutsche Energiekonzern RWE in Eemshaven ein Kohlekraftwerk bauen will (und sogar schon mit den Arbeiten begonnen hat). In Deutschland würde er auf heftige Bürgerproteste stoßen und große Schwierigkeiten bekommen, ein solches Projekt zu realisieren. RWE hofft, dass in den Niederlanden die Widerstände geringer sind und investiert deshalb in Eemshaven. Und der Konzern tritt als Wohltäter auf und spendiert in der Region Kultur- und  Sporteinrichtungen. Alles für das Image und um Proteste gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Trotzdem gab es vor einigen Wochen eine erste kleine Demonstration vor dem Baugelände des RWE-Kohlekraftwerkes. Es waren aber nur 150 Menschen, die sich dort versammelten. Und etwa die Hälfte davon waren aus Deutschland angereist. Ein zaghafter Beginn des Protests.

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Der Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe bei der Demonstration vor dem Baugelände des RWE-Kohlekraftwerkes in Eemshaven am 27. März 2010

Dabei gibt es viele gute Gründe, sich den Bau eines neuen Kohlekraftwerks nicht gefallen zu lassen:

     

  1. Die Energiegewinnung aus Kole ist die mit Abstand dreckigste, klima- und gesundheitsschädlichste Art, Strom zu produzieren. Würden die beiden in Eemshaven geplanten Kohlekraftwerke von RWE und Nuon tatsächlich gebaut werden und ans Netz gehen, würden sie pro Jahr folgende Schadstoffe ausstoßen: 15-17 Millionen Tonnen CO2, 18.000 Tonnen Kohlenmonoxid, 14 000.Tonnen Stickstoffoxide, 13.000 Tonnen Schwefeloxid, 1.300 Tonnen Feinstäube, 80 Tonnen Wasserstoffchloride, 33 Tonnen Fluorwasserstoff, 2.300 Kilogramm Cadmium, 2.300 Kilogramm Thallium, 2.000 Kilogramm Quecksilber sowie 860 Kilogramm weiterer hochgiftiger Stoffe wie Arsen, Chrom und Blei. Eine enorme Gefahr und Belastung für die Menschen in den Niederlanden und in Deutschland sowie für die Fauna und Flora!
  2. Neue Kohlekraftwerke zu bauen ist genau das Gegenteil von dem, was die Europäische Union sich bezüglich des Klimaschutzes zum Ziel gesetzt hat. Sie will den CO2-Ausstoß deutlich reduzieren, mindestens um 20%, möglichst um 30% bis 2020. Solche Ziele lassen sich nicht realisieren, wenn neue Kohlekraftwerke gebaut werden.
  3. Für die neuen Kohlekraftwerke in Eemshaven soll die Kohle aus Entwicklungsländern herangeschafft werden – vor allem aus Kolumbien. Man rechnet mit rund 85 großen Kohleschiffen, die jedes Jahr aus Südamerika kommend in Eemshaven anlanden werden. Der Kohleabbau in Kolumbien führt dort zu enormen Umweltschäden und auch zur gewaltsamen Vertreibung von Kleinbauern und Indigenen. Außerdem ist es auch von der Gesamtenergiebilanz Wahnsinn, unter großem Energieaufwand Kohle aus Kolumbien nach Europa zu bringen, um sie hier in Energie umzuwandeln.
  4. In Deutschland sind bisher sieben Kohlekraftwerkspläne fallen gelassen worden – nicht nur aus ethischen, gesundheitlichen und ökologischen Gründen und aufgrund der Bürgerproteste, sondern auch aus ökonomischen Erwägungen. Im Rahmen des Emissionshandels werden die Verschmutzungsrechte bald gekauft werden müssen und immer teurer werden. Mittelfristig wird es sich dann nicht mehr lohnen, aus Kohle Strom zu machen.
  5. Neue Kohlekraftwerke verhindern den ehrgeizigen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Große wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass die europäische Energieversorgung in 15 bis 20 Jahren vollständig durch Erneuerbare Energien sichergestellt werden kann – gekoppelt mit Maßnahmen der Energieeffizienz und Energieeinsparung. All dies ist auch notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Nur für eine Übergangszeit sind noch Gaskraftwerke notwendig. Auf Atom- und Kohlekraftwerke kann schon sehr bald vollständig verzichtet werden. Der Bau neuer Anlagen in diesen zu umweltschädlichen und riskanten Technologien ist nicht nur unverantwortbar sondern auch überflüssig.
  6.  

Liebe Nachbarn in den Niederlanden, bitte lasst Euch von den PR-Abteilungen der Energiekonzerne keinen Sand in die Augen streuen! An Kohlekraftwerken verdienen nur einige Wenige – und auch nur für kurze Zeit. Sie bringen enormen Belastungen und Risiken für die Gesundheit, bedrohen den Tourismus und die Landwirtschaft, sind volkswirtschaftlich Unsinn und ethisch nicht vertretbar, wenn wir uns auch gerecht, sozial und verantwortungsbewusst gegenüber den Menschen in den Entwicklungsländern, gegenüber nachfolgenden Generationen und gegenüber der gesamten Schöpfung verhalten wollen.

Wir – Niederländer und Deutsche – würden gemeinsam unter den negativen Auswirkungen leiden, wenn in Eemshaven tatsächlich die beiden Kohlekraftwerke gebaut werden. In Deutschland hat es eine breite, kritische Debatte über die Energiegewinnung aus Kohle gegeben – in den Medien, in den Parlamenten, in den Kirchen, in der Landwirtschaft: mit dem Ergebnis, dass neue Kohlekraftwerke nicht mehr akzeptiert werden.

Ich hoffe, dass auch bei Euch in den Niederlanden in der Öffentlichkeit diskutiert und die Kohlekraftwerkspläne in Eemshaven kritisch unter die Lupe genommen werden. Keine Investitionen in Klimakiller! Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, eine verantwortungsbewusste, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, die zukunftsfähig ist!

 

Thilo Hoppe

Thilo Hoppe ist seit 2002 Abgeordneter im Bundestag, dem deutschen Parlament.

Er vertritt in Berlin den ostfriesischen Wahlkreis Aurich-Emden und gehört der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" an – Er war lange Zeit Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und ist jetzt stellvertretender Vorsitzender dieses Ausschusses.

Der gelernte Journalist und Diakon ist auch Mitglied der Synode (Parlament) der Evangelischen Kirche in Deutschland und hat auch an Stellungnahmen der deutschen Kirchen zu Umwelt- und Entwicklungsfragen mitgewirkt.

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