Thilo Hoppes Rede bei der Bundestagsdebatte zu den Rechten indigener Völker
Bereits 2002 beschloss der Bundestag einen umfangreichen Menschenrechtsantrag, der die Bundesregierung aufforderte die Ratifizierung die ILO-Konvention 169 zu prüfen. Leider hat Deutschland die Konvention der ILO bis heute nicht ratifiziert, obwohl sie als einzige völkerrechtliche Norm die Rechte indigener Völker umfassend und verbindlich festlegt.
Damals scheiterte eine Ratifizierung vor allem an den Bedenken des Wirtschafts- und des Innenministeriums. Auch ein neuer Anlauf durch einen Antrag von Bündnis90/Die Grünen in der letzten Legislaturperiode wurde durch die Stimmen der damaligen Regierungskoalition abgeblockt. Es ist daher sehr erfreulich, dass wir jetzt gemeinsam mit der SPD einen Antrag einbringen können. Noch schöner wäre es, wenn daraus sogar ein interfraktioneller Antrag gemeinsam mit der Koalition werden könnte. Kämen Signale aus den Koalitionsfraktionen, die in diese Richtung gehen, dann würden wir uns Gesprächen nicht verschließen und gegebenenfalls diesen Antrag zu Gunsten eines gemeinsamen Antrags zurückziehen.
Als "Indigene" werden weltweit ca. 350 Millionen Menschen bezeichnet. Sie Leben in ca. 70 verschiedenen Ländern – und viele von ihnen weitestgehend im Einklang mit der Natur. Viele ihrer angestammten Gebiete sind regelrechte Biodiveritäts-Hotspots. Ihr traditionelles Wissen ist dabei unerlässlich für die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten.
Die Berichte des UN-Sonderberichterstatters für die Rechte indigener Völker, Rodolfo Stavenhagen, belegen, dass diese Menschen sowohl in ihren Grundrechten, aber auch in ihren kulturellen Rechten in vielen Regionen der Welt bedroht sind. Ihrer Lebensweise wird in zunehmendem Maße durch Umweltverschmutzung und skrupellose Ausbeutung von Rohstoffen die Grundlage entzogen. Verantwortlich sind nicht nur die Regierungen der einzelnen Länder, sondern auch multinationale Unternehmen. Insofern sind auch die Regierungen der wohlhabenden Industriestaaten in der Verantwortung zu handeln - und nicht nur Staaten auf deren Territorium indigene Völker leben.
Wir fordern, wie in unserem Antrag formuliert, Richtlinien für die Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung zu verabschieden, die die Rechte der indigenen Völker entsprechend der ILO-Konvention 169 berücksichtigen.
Der entwicklungspolitische Dialog mit Repräsentanten Indigener Völker muss intensiviert und ihre Partizipationsmöglichkeiten müssen auf nationaler wie auch internationaler Ebene sowohl politisch als auch finanziell unterstützt werden. Es muss endlich eine politische Entscheidung für den Schutz dieser Menschen sowie für den Schutz der biologischen Vielfalt getroffen werden. Gerade in Zeiten des Klimawandels!
Die Ausreden von Seiten des Wirtschafts- und Innenministeriums, nur Länder, in denen indigene Völker leben, könnten die Konvention ratifizieren, dürfen nicht länger gelten. Ebenso wenig die ignorante Forderung, dass es möglichst keine Auswirkungen auf deutsche wirtschafts- und innenpolitische Belange geben darf.
Die blutig niedergeschlagenen Indigenenproteste gegen ein Freihandelsabkommen in Peru im Jahr 2009 haben erneut deutlich gemacht wie bedroht ihr Lebensraum ist, und dass Indigenenrechte nicht einfach Wirtschaftsinteressen geopfert werden dürfen.
Jede Ratifizierung der ILO-Konvention 169 stellt einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung des internationalen Menschenrechtsstandards für indigene Völker dar; gerade auch durch Länder, die selbst keine indigene Bevölkerung auf ihrem Staatsgebiet aufweisen. Die Niederlande und Spanien haben es uns vorgemacht. Jetzt ist es an Deutschland, die ILO-Konvention 169 endlich zu ratifizieren und damit auch seiner neuen außenpolitischen Verantwortung im UN-Sicherheitsrat gerecht zu werden.
Ein weiterer Antrag von uns Bündnisgrünen, der aber auch ein interfraktioneller Antrag werden könnte – wir freuen uns da über die zustimmenden Signale der SPD - fordert , dass den indigenen Völkern im Andenraum auch weiterhin die Möglichkeit gegeben wird, legal Koka-Blättern anzubauen. Dieser Antrag veranschaulicht beispielhaft die Problematik um die kulturellen Rechte indigener Völker.
Die Blätter der Kokapflanze gehören seit Jahrtausenden zum kulturellen-religiösen Erbe und Brauchtum dort. Auch zu medizinischen Zwecken werden die Blätter gekaut und Touristen, die an der Höhenkrankheit leiden, schätzen diese Pflanze ebenso. Trotzdem stehen Koka-Blätter seit 1961 auf der Liste der verbotenen Betäubungsmittel der Vereinten Nationen, weil sie mit chemischen Mitten zur gefährlichen Droge Kokain verarbeitet werden können.
2009 hatte Bolivien deshalb bei den Vereinten Nationen beantragt, das Anbauen von Koka-Blättern nicht zu unterbinden – jedoch sollte dies nur im Inland geschehen und die Nutzung der Kokablätter nicht für den Export gestattet werden. Die Verarbeitung von Koka zu Kokain sollte weiterhin streng verboten bleiben.
Auch in unserem Kulturkreis hat sich seit Jahrtausenden eine Droge etabliert: Alkohol. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. März 1994 den Alkoholkonsum in Deutschland damit gerechtfertigt, dass Alkohol als Lebens- und Genussmittel eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten hat; in Form von Wein wird er auch im religiösen Kult verwendet. Weiterhin sieht sich der Gesetzgeber auch mit der Tatsache konfrontiert, dass er den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden kann. Genauso geht es den Menschen im Anden-Raum. Daher brauchen wir die Anerkennung von Koka-Blättern als schützenswerte Heilpflanze und Bestandteil der Kultur der Indigenen in den Anden.
Wir begrüßen, dass das BMZ kürzlich ein neues Menschenrechtskonzept vorgestellt hat, dass die Menschenrechte zum verbindlichen Leitprinzip der deutschen Entwicklungszusammenarbeit machen soll. Wenn es der Bundesregierung aber wirklich ernst damit ist, müsste sie jetzt im Kabinett beschließen, auch die Außenwirtschaftsförderung, die Agrar-und Handelspolitik und vor allem auch die neue Rohstoffstrategie kohärent an den Menschenrechten in ihrer vollen Bandbreite – also auch unter Einbeziehung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte - auszurichten. Folgerichtig müssten die Koalitionsfraktionen auch beiden heute von uns vorgelegten Anträgen zustimmen. Ich bin auf die Beratungen in den Ausschüssen gespannt und hoffe, dass wir zu einem Konsens finden.
Vielen Dank!