Schulden von Entwicklungsländern
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte mich hier ausdrücklich bei einer großen Zahl von Menschen im Norden und im Süden bedanken, die immer wieder das Augenmerk auf die wirklich schlimmen Auswirkungen lenken, die die Verschuldung gerade für die ärmsten Menschen in den Entwicklungsländern hat.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass nun in einer neuen Initiative auch die Entstehung der Schulden hinterfragt wird: Von wem, für was und zu wessen Nutzen wurden und werden Schulden gemacht, die sich zu einer erdrückenden Last für die Ärmsten auftürmen? Da wird der Blick auf Geschäfte gelenkt, die mit den Diktatoren in Argentinien und Bolivien, mit der Familie Suharto in Indonesien oder zu Zeiten des Irak-Iran-Krieges mit Saddam Hussein gemacht wurden. Wir müssen auch kritisch auf Großprojekte blicken, die mit Hermesbürgschaften abgesichert wurden und deren finanzielle Solidität keiner vernünftigen Wirtschaftlichkeitsprüfung unterlag. Nahm man dabei billigend in Kauf, dass die Bevölkerung in Entwicklungsländern über Hermesbürgschaften Arbeitsplätze in Deutschland subventioniert?
Dies sind wichtige Fragen, denen wir verstärkt nachgehen müssen. Es ist notwendig, mehr Transparenz zu schaffen und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Es ist aber vor allem notwendig, für die Zukunft Regeln aufzustellen, die verhindern, dass dubiose Handelsgeschäfte zum Mühlstein am Hals des deutschen Steuerzahlers und der Bevölkerung in den Entwicklungsländern werden. Es sollte ein klares Signal für die Zukunft ausgehen, dass es sich für Kreditgeber nicht lohnt, Geschäfte mit Diktatoren zu machen und Entwicklungsländern Projekte aufzuschwatzen, die keinerlei Kriterien ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit standhalten.
Obwohl ich weitgehend mit der Problembeschreibung übereinstimme, die in dem Antrag der Linken vorgenommen wird, sehen ich doch einige gravierende Probleme: Auf der einen Seite wird die Entwicklung von transparenten Kriterien für "illegitime Schulden" verlangt, was ich ausdrücklich unterstütze. Gleichzeitig sollen aber sofort alle "illegitimen Schulden" anerkannt und gestrichen werden. Das ist auch nachvollziehbar, aber schwer zu praktizieren. Was sind verabscheuungswürdige, illegitime Schulden? Was war nur fahrlässig, zu risikofreudig? Da müsste eine Unzahl von Untersuchungsausschüssen installiert werden. Ich behaupte nicht, dass dies unmöglich ist. Aber rückwirkend Schulden als illegitim zu erklären, ist schwierig und wirft noch viele Fragen auf, die geklärt werden müssen.
Außerdem soll die Entschuldung nicht auf die öffentliche Entwicklungshilfe angerechnet werden. Ich möchte hier gerne einen Schritt nach dem anderen gehen, das heißt, zuerst ein tragfähiges Konzept entwickeln und dann auf dessen Grundlage über die Entschuldung entscheiden.
Wir haben mit einer "kleinen Anhörung" im Ausschuss bereits einen ersten Aufschlag gemacht, bei dem ein Vertreter der deutschen Erlassjahrkampagne die Vorstellungen zu "illegitimen Schulden" dargelegt hat. Ebenso hat das europäische Schuldennetzwerk EURODAD kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der aus allen G-8-Staaten Beispiele für illegitime Schulden dargestellt werden. Für Deutschland ist dort der Fall des Exports von Ex-DDR-Kriegsschiffen nach Indonesien als Beispiel benannt. Und doch sind viele Fragen bezogen auf ein schlüssiges Verständnis eines Konzepts von "illegitimen Schulden" offen. Ich schlage vor, das Jahr der G-8-Präsidentschaft zu nutzen, sich eingehender mit diesem Thema auseinanderzusetzen und die Entwicklung von Kriterien für "illegitime Schulden" voranzutreiben. Die Bundesregierung ist gefordert, hier einen Konsultationsprozess mit anderen bilateralen Gebern - dafür käme der Pariser Club infrage - mit der Weltbank und mit zivilgesellschaftlichen Gruppen einzuleiten.
Wir denken, dass von der norwegischen Initiative ein wichtiger Anstoß zu einer gründlichen Auseinandersetzung mit dem Thema ausgeht. Es ist wichtig, die Diskussion um illegitime Schulden in den Zusammenhang der aktuellen Diskussionen um die Weiterentwicklung des internationalen Schuldenmanagements zu stellen. Vor allem das sogenannte "Free-Rider-Problem", dass entschuldete Länder sich zu schlechteren Bedingungen als den eigentlich im Rahmen des Schuldenerlasses vorgesehenen neu verschulden und dadurch schnell wieder in die Schuldenfalle tappen, ist hier von großer Bedeutung. Auch die Neudefinition der Schuldentragfähigkeit und eine unabhängige Schuldentragfähigkeitsanalyse, wie sie ansatzweise für Bolivien in Arbeit ist, spielen hier eine wichtige Rolle.
Generell ist für uns der Schuldenerlass ein wirksames Mittel, um Entwicklung zu fördern. Dies trifft insbesondere auf die Entschuldung im Rahmen von HIPC zu, die innerhalb eines partizipativen Prozesses stattfindet und Ressourcen für Sozialausgaben und Investitionen in den ärmsten Länder freimacht. Bei "illegitimen Schulden" kriegt die ODA-Anrechenbarkeit aber ein Geschmäckle. Dass die Finanzierung des Saddam-Regimes und die nachfolgende Entschuldung des Irak jetzt dafür herhalten muss, die deutschen ODA-Zahlen zu schönen, damit haben wir ein Problem.
Um auf den vorliegenden Antrag zurückzukommen: ein guter Anstoß, das Problem intensiv zu diskutieren, offene Fragen zu klären. Aber einige Forderungen schießen über das Ziel hinaus und verringern die Chancen, tatsächlich Fortschritte zu erzielen. Ich denke, dass wir uns im Entwicklungsausschuss noch intensiv mit dieser Problematik befassen werden und auch zu Ergebnissen kommen, zu Vorschlägen, die tatsächlich weiterführen.