Rede zur Bundestagsdebatte über die Zukunft der Europäischen Entwicklungspolitik

Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grünen sind die Europapartei.

(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Ich habe gedacht, die Grünen sind die Umweltpartei!)

Deshalb dürfte es auch nicht verwundern, dass wir auch die Rolle der Europäischen Union in der Entwicklungspolitik stärken wollen.

Während in dem Antrag der Koalition und auch in dem der Linken, zumindest zwischen den Zeilen, Euro-Skepsis zu spüren ist,

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die ist auch angebracht!)

sehen wir in dem Antrag, den wir gemeinsam mit der SPD eingebracht haben, in mehr Europa auch in der Entwicklungspolitik eher Chancen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Mehr soziales Europa!)

Der Tenor auf den letzten drei großen entwicklungspolitischen Konferenzen – Paris, Accra und Busan – war immer gleich, eine klare Botschaft an die sogenannten Geber: Hört doch endlich damit auf, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht! Schließt euch zusammen! Legt auch euer Geld zusammen! Unterstützt zum Beispiel im Rahmen von Budget- oder Sektorbudgetfinanzierung den Aufbau eines Gesundheitssystems in einem Partnerland, statt dass dort die Deutschen, die Engländer, die Niederländer und Dänen alle ihre eigenen Projekte hochziehen, ihre Vorzeigekrankenhäuser aufbauen und davor ihre Fahne hissen!

Mehr gemeinsames Vorgehen ist gefragt, zumindest bessere Absprachen, und mehr Arbeitsteilung. Die Vertretung der Europäischen Union in den entsprechenden Partnerländern – das hat Frau Hübinger schon gesagt – soll nicht als die 28. Gebernation auftreten; sie hat vielmehr die Aufgabe, die europäischen Mitgliedsländer zusammenzuführen und ein gemeinsames Auftreten zu organisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Bei speziellen Herausforderungen – ich denke dabei an fragile Staaten oder große Entwicklungsländer, die Fortschritte im Wirtschaftswachstum gemacht haben, wo aber die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird und die Gesellschaft auseinanderfällt – könnte die Europäische Union auch als alleiniger Akteur kraftvoll auftreten.

Wenn wir im Gegensatz zur Koalition die Stärkung der Rolle der EU in der Entwicklungspolitik befürworten und die Vorschläge der EU-Kommission überwiegend – das gilt nicht für alle – positiv beurteilen, dann heißt das noch lange nicht, dass wir die Probleme übersehen. Es gibt nach wie vor organisatorische Probleme. In den Vorschlägen der Europäischen Kommission, die jetzt vorliegen, wird unserer Meinung nach auch die Rolle der Privatwirtschaft viel zu stark betont.

Die größten Probleme liegen aber in einem anderen Bereich, und zwar in den negativen Auswirkungen, die andere Politiksektoren der Europäischen Union auf die Entwicklungsländer haben. Es kommt leider immer noch vor, dass Erfolge der EU-Entwicklungspolitik durch andere Politiken der EU wieder völlig zunichte gemacht werden. Damit meine ich vor allem die europäische Handels-, Agrar- und Fischereipolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Noch immer werden hochsubventionierte Hähnchenteile aus EU-Überschussproduktion auf afrikanischen Märkten abgekippt und treiben dort die Geflügelzüchter und Kleinbauern in den Ruin. Völlig pervers ist, was nach wie vor im Rahmen der europäischen Fischerei-politik geschieht – wir werden das hier hoffentlich noch in einer anderen Debatte ausführlicher diskutieren können –: Hochsubventionierte europäische Fabrikschiffe fischen die Küsten Afrikas leer. Ein einziges dieser europäischen Fabrikschiffe fischt an einem Tag die Menge, die 40 afrikanische Fangboote in einem ganzen Jahr fangen. Zu diesen Fischereiverträgen hat Horst Köhler einmal gesagt, sie seien Schandverträge, die dringend überarbeitet werden müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Dr. Christian Ruck [CDU/CSU])

Es gibt leider viele Beispiele dieser Art, die deutlich machen, dass die eine Hand der EU etwas aufbaut, was die andere Hand wieder einreißt. Doch zu diesen Kohärenzproblemen ist in dem Antrag der Koalition nichts zu finden. Fehlanzeige auch beim 0,7-Prozent-Ziel. Das verschweigen Sie lieber peinlich, weil sonst die Unterlassungssünden der eigenen Regierung zutage treten würden.

(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Schämt euch!)

Vor allem deshalb, aber auch, weil Sie die Rolle der EU im Gegensatz zur nationalen Entwicklungspolitik eher kleinhalten wollen, lehnen wir Ihren Antrag ab.

Zum Antrag der Linken gibt es, wenn man ganz viel Revolutionsrhetorik weglässt und sich auf die Kernforderungen konzentriert, durchaus eine Menge Gemeinsamkeiten. Es gab im Vorfeld auch den Versuch, wenigstens zu einem gemeinsamen Antrag der Opposition zu kommen. Dabei waren wir auf einem guten Weg. Das wollte die Fraktionsführung der SPD nicht. Das war nicht eure Schuld.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es gibt, wie gesagt, viele Übereinstimmungen bei den Forderungen. Was wir aber nicht teilen, ist, dass das Prinzip der Good Governance beiseitegeschoben werden soll. Natürlich müssen wir über Good Governance reden. Aber das beinhaltet natürlich Verpflichtungen für beide Seiten. Deshalb bleibt uns nur Enthaltung.

Wir wollen die Rolle der EU für eine globale nachhaltige Entwicklung stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

Video: Rede zur EU-Lateinamerika-Debatte

Video: Rede zur Biosprit-Debatte

Video: Haushaltsrede

Linktipp: Videos von den Reden Thilo Hoppes in der Mediathek des Deutschen Bundestages.

Bitte beachten Sie auch meine Parlamentarischen Anträge