Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen verhindern

Lassen Sie mich diese Rede beginnen mit einem Zitat aus dem Jahr 2001. Es stammt aus dem Grünbuch der Europäischen Kommission zu Europäischen Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen und lautet:

Die Menschenrechte sind ein sehr komplexes Thema, das politische, rechtliche und ethische Probleme aufwirft. Für die Unternehmen stellen sich dabei schwierig zu beantwortende Fragen, unter anderem: Wie lassen sich ihre Verantwortlichkeiten abgrenzen gegenüber denjenigen der Regierungen? Wie lässt sich überwachen, ob die Geschäftspartner das für das eigene Unternehmen aufgestellte Werteschema einhalten? Wie verhält man sich gegenüber und agiert man in Ländern, in denen die Menschenrechte häufig verletzt werden?

In der Tat sind dies schwerwiegende und komplizierte Fragen, für die es sicher keine einfachen Ad-hoc-Lösungen gibt. Die zugrunde liegenden Probleme sind allerdings drängend. Dazu ein Beispiel aus Nigeria – ich zitiere aus einem Bericht von Amnesty International vom 26. Juni 2009 –:

In ihrer Gier nach fossilen Energieträgern missachten Ölunternehmen in Nigeria die Umweltbelange und Menschenrechte der betroffenen Gemeinschaften regelmäßig. Das schwarze Gold hat bereits Einnahmen in Milliardenhöhe gebracht, trotzdem hat sich die Lebenssituation für die Mehrheit der 30 Millionen BewohnerInnen des Niger-Deltas nicht verbessert. Im Gegenteil, die Armut ist noch größer geworden. Die Ölkonzerne haben die Umwelt und damit die traditionellen Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung zerstört. Ihre Aktivitäten heizen regelmäßig Konflikte an. Immer wieder werden AktivistInnen Opfer von gewalttätiger Unterdrückung. Vor 14 Jahren sind der nigerianische Schriftsteller Ken Saro-Wiwa und acht weitere Ogoni-Aktivisten nach einem unfairen Prozess hingerichtet worden, weil sie sich gegen die  Zerstörung der Lebensgrundlagen durch die Ölindustrie zur Wehr gesetzt hatten.

Wir sind uns einig, dass im Kontext der Globalisierung insbesondere transnational agierende Unternehmen immer weiter reichende Einflussmöglichkeiten haben. Die Tätigkeit solcher Konzerne hat auch Auswirkungen auf menschenrechtliche Belange. Dieses Feld der menschenrechtlichen Folgen von Unternehmenshandeln ist bisher noch wenig erforscht. Aber gerade weil die damit verbundenen Fragen so komplex sind, wie eingangs zitiert, gerade deshalb ist die Bundesregierung – sind wir alle – gefordert, Lösungen auszumachen und Möglichkeiten zu finden, mit denen die menschenrechtliche Unternehmensverantwortung effektiver gestaltet werden kann. In den letzten vier Jahren ist dazu vonseiten der Bundesregierung nichts passiert. Sie hat weder versucht, nationale Ansätze zu entwickeln, noch hat sie sich mit Nachdruck dafür eingesetzt, verbindliche internationale Regelungen auf den Weg zu bringen. In der Beratung im federführenden Menschenrechtsausschuss haben Union und FDP einvernehmlich betont, dass freiwillige Initiativen wie der Global Compact völlig ausreichten, um das Problem zu lösen.

Nichts liegt uns ferner als eine billige Kritik am Global Compact oder anderen freiwilligen Initiativen zur Stärkung der Unternehmensverantwortung. Diese Maßnahmen sind sinnvoll, sie werden von vielen Unternehmen mit großer Ernsthaftigkeit und Konsequenz umgesetzt, und sie können viel bewegen. Dass ihre Wirkung dennoch beschränkt ist, das können wir alle seit Jahren beobachten. Und deshalb ist es notwendig, nach ergänzenden verbindlichen Regelungen zu suchen, mit denen besser als bisher verhindert werden kann, dass Unternehmen Menschenrechtsverletzungen begehen. Die Bundeskanzlerin hat in den Monaten nach dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise häufig davon gesprochen, dass wir eine Charta des nachhaltigen Wirtschaftens benötigen. Die gesetzlich festgelegte Stärkung der Unternehmensverantwortung im Bereich Menschenrechte wäre unserer Meinung nach ein wesentliches Element für nachhaltiges Wirtschaften.

Der Staat hat die Verpflichtung, die Menschenrechte seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen, zu  respektieren und zu gewährleisten. Dies gilt auch für den Fall, dass Menschenrechte durch Unternehmen beeinträchtigt werden. Wir fordern, dass die Bundesregierung die bestehenden Haftungsmöglichkeiten ausbaut und festschreibt, dass Unternehmen darüber berichten müssen, wie sich ihre Tätigkeiten auf Menschenrechte auswirken. Dazu gehört auch, dass Unternehmen eine Menschenrechtsrisikoanalyse vornehmen. Unternehmen müssen vom Gesetzgeber dazu verpflichtet werden, ihr Handeln daraufhin zu überprüfen, ob alle Menschenrechte respektiert werden. Dabei können sich für Unternehmen nicht nur Unterlassungspflichten ergeben, sondern auch positive Pflichten wie zum Beispiel die Einführung von Antidiskriminierungsregelungen. Zudem benötigten die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen einen besseren Zugang zu Rechtsbehelfen.

Ziel muss es sein, klar umrissene Pflichten für Unternehmen hinsichtlich der Verletzung aller Menschenrechte zu gestalten. Es sind eben nicht – wie zum Teil in der Debatte behauptet wird – nur einige wenige Menschenrechte von unternehmerischem Handeln betroffen; eine eingegrenzte Liste reicht daher nicht aus. Der Sonderberichterstatter der UN für Unternehmen und Menschenrechte, John Ruggie, hat deutlich herausgestellt, dass Unternehmen grundsätzlich in der Lage sind, alle Menschenrechte zu verletzten. Dies müssen wir angehen.

Mit unserem Antrag „Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen verhindern“ fordern wir die Bundesregierung dazu auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen und auf EU-Ebene die Erarbeitung eines Richtlinienentwurfes anzuregen, der eine Haftung der Mutter- für ihre Tochterkonzerne festlegt für den Fall, dass ein Tochterunternehmen Menschenrechte missachtet. Zudem soll die Bundesregierung prüfen, inwieweit bisherige Berichtspflichten von Unternehmen um die Einhaltung von Menschenrechtsstandards ergänzt werden können. Darüber hinaus sollen in der Außenwirtschaftsförderung Menschenrechtskriterien stärker als bisher verankert werden. Menschenrechtskriterien sollen auch bei der Vergabe von Exportkrediten, ungebundenen Finanzkrediten sowie Investitionsgarantien als Prüfkriterien für eine  Bewilligung von Anträgen stärker berücksichtigt werden.

Lassen Sie uns nicht gegeneinander und nicht in Konkurrenz von freiwilligen und verbindlichen Regelungen an diesem Thema weiterarbeiten. Es geht hier um zu viel, als dass sich die Bundesregierung oder einzelne Fraktionen des Bundestages zurücklehnen und auf bereits Erreichtem ausruhen könnten. Lassen Sie uns dies, wenn wir hier und jetzt nicht zu einem gemeinsamen Entschluss kommen, in der kommenden Legislaturperiode gemeinsam angehen.

 

Video: Rede zur EU-Lateinamerika-Debatte

Video: Rede zur Biosprit-Debatte

Video: Haushaltsrede

Linktipp: Videos von den Reden Thilo Hoppes in der Mediathek des Deutschen Bundestages.

Bitte beachten Sie auch meine Parlamentarischen Anträge