Klimaschutz auf dem G 8-Gipfel in Japan
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Im letzten Jahr war die G-8-Präsidentschaft ein Topthema und wurde auch im Parlament umfassend diskutiert. Dieses Jahr ist alles anders. Wir haben keine Diskussionen über die vor und die hinter dem Zaun, wie sie im letzten Jahr in Heiligendamm auf dem deutschen G-8-Gipfel geführt wurden. Die Koalition macht sich nicht einmal die Mühe, mit einer eigenen parlamentarischen Initiative auf die Bedeutung des G-8-Gipfels in Japan hinzuweisen. Generell scheint der Gipfel unter einem merkwürdigen Stern zu stehen. Der US-amerikanische Präsident gibt seine Abschiedsvorstellung, große Ambitionen der Bundesregierung lassen sich nicht erkennen und die selbst die japanische Regierung versucht schon im Vorfeld des Gipfels, die Erwartungen tief zu hängen.
Dabei hätten alle Beteiligten gute Gründe, mit Entschlossenheit zu versuchen, substanzielle Fortschritte beim Gipfel anzustreben. Die zentralen Themen, die die japanische Präsidentschaft platziert hat, reichen von der Klima- und Energiepolitik, über die Stabilisierung der Finanzmärkte, der Zusammenarbeit zwischen der G 8 und Afrika bis zur dramatischen Nahrungsmittel- und Hungerkrise.
Über grundsätzliche Fragen, beispielsweise einer Transformation oder möglichen Erweiterung der G 8, wird nicht diskutiert. An dieser Stelle verhält sich die japanische Präsidentschaft wie die Bundesregierung im Jahr zuvor. Aus meiner Sicht gehört diese Diskussion gerade auch wegen der Beteiligung der Schwellenländer, der sogenannten anderen fünf, China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika, auf die Tagesordnung. Gleiches gilt für die Reform und Stärkung des UN-Systems; denn nur ein wirklich globales Forum ist in der Lage, Antworten auf globale Probleme zu finden. Gleichwohl bleiben die G 8 ein Machtfaktor. Sie können Dinge zum Besseren oder Schlechteren bewegen.
Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu den Themen des Gipfels machen: Aus grüner Sicht ist es ein Armutszeugnis, das sich bereits abzeichnet, dass erneut keine verbindlichen CO2-Reduktionsverpflichtungen angestrebt werden. Die japanische Präsidentschaft versäumt es, für eine klare Botschaft an Schwellen- und Entwicklungsländer zu sorgen, die zeigt: Ja, wir sind entschlossen, mit aller Kraft gegen den Klimawandel zu arbeiten! Übrigens wird auch versäumt, Signal zu setzen an die US-amerikanische Politik und Gesellschaft nach Bush. Ein Jahr nach Heiligendamm herrscht Stillstand in dieser ungeheuer bedeutenden Frage.
Die "Hausnummer" für verbindliche CO2-Reduktionsziele der G 8 für die Zeit nach 2012 ist klar zu benennen. Deutschland sollte sich zu Reduktionen von 40 Prozent bis 2020 und 80 Prozent bis 2050 bereit erklären, die anderen G 8 Staaten sollten sich mindestens zu einer Reduktion um 30 Prozent bis 2020 und von 60 bis 80 Prozent bis 2050 verpflichten.
Auch bei einem zweiten Thema ist offen, was der Gipfel bringt: bei der Reaktion auf die gegenwärtige – und anhaltende – globale Nahrungsmittel- und Agrarkrise. Natürlich können die G 8 diese Krise nicht allein bewältigen, doch sie haben Hebel zur Verringerung der Krise und sollten diese auch nutzen.
Unsere Forderung ist hier ein klarer Beschluss der G 8 zum Abbau aller Subventionen, die negative Auswirkungen auf den Agrarsektor in Entwicklungsländern haben, vor allem in Afrika. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Bundesregierung reiht sich in die Phalanx derjenigen ein, die ein doppeltes Spiel spielen. Wer in Brüssel die Finger für die Erhöhung der Exportsubventionen für Schweinefleisch in afrikanische Länder hebt – mit bekannt negativen Folgen –, braucht in anderen Foren keine Lippenbekenntnisse über die negativen Wirkungen von Agrarsubventionen auf Entwicklungsländer loszulassen. Dass Frankreich und die USA dem in nichts nachstehen, macht die Situation nicht besser.
Der Gipfel wird sich auch zum Bericht der Task Force "Hunger" der Vereinten Nationen verhalten müssen, der Forderungen an die G 8 stellt. Diese sollen die grundsätzliche Dimension der Agrarkrise in der Abschlusserklärung zum Ausdruck bringen. Klimawandel, hohe Energiepreise und steigende Weltbevölkerung werden die globale Landwirtschaft grundlegend verändern. Wird nicht gehandelt, wird nach Schätzungen der Weltbank die Zahl der Hungernden in wenigen Jahren von derzeit 850 Millionen auf eine Milliarde ansteigen. Zehn Prozent der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit sollten für die Förderung der ländlichen Entwicklung ausgegeben werden, marktzerstörende Subventionen abgebaut und die Nothilfe durch stärkere Unterstützung des Welternährungsprogramms ausgebaut werden. Aus unserer Sicht ist die Bundesregierung aufgefordert, diese Vorschläge der UN-Experten zu unterstützen.
Bezogen auf Afrika hat zumindest Japan angekündigt, die Hilfe bis 2012 schrittweise zu verdoppeln, die Reisproduktion in Afrika zu unterstützen, 100 000 Afrikanerinnen und Afrikaner im Gesundheitsbereich auszubilden und Privatinvestitionen zu fördern.
Die europäischen G-8-Staaten sollten die eigenen Beschlüsse umsetzen. Diese sehen vor, die öffentliche Entwicklungshilfe der EU im Jahre 2010 auf mehr als 66 Milliarden Euro zu verdoppeln. Mindestens die Hälfte davon soll Afrika zugute kommen. Der Ausbau der Zusammenarbeit im Wasserbereich, der Anpassung an den Klimawandel und die Erreichung der MDG erfordern ein dringend aufgestocktes Engagement.
Afrikaexperten um den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan stellen im "African Progress Panel Report 2008" vom Juni dieses Jahres jedoch für die G 8 insgesamt fest, dass die Geber weit hinter ihren bereits gemachten Zusagen zurückliegen.
Um noch kurz auf das Thema Finanzmärkte einzugehen: Dass globale Finanzmärkte globale Regeln brauchen, wurde durch die Immobilienkrise in den USA und die Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem deutlich. Da sich zentrale Finanzplätze in den G-8-Staaten befinden, tragen diese Staaten eine besondere Verantwortung bei der Aufgabe, den Finanzmärkten ein effektives, verbindliches Regelwerk zu geben. Vor allem die USA und Großbritannien betreiben bislang mit ihrer Weigerung, systematisch ein effektives Regelwerk aufzustellen, Klientel- und Standortpolitik zum Schaden der Weltwirtschaft. Das muss ein Ende haben. Die anderen G-8-Staaten sollten im eigenen Interesse auf eine Zusammenarbeit drängen.