Haushaltsrede Einzelplan 23
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe dem Kollegen Thilo Hoppe, Bündnis 90/ Die Grünen, das Wort.
(Hellmut Königshaus [FDP]: Thilo, jetzt zur Abwechslung aber bitte einmal zum Haushalt! – Jürgen Koppelin [FDP]: Das war gerade ja Lyrik!)
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Allgemeinen und Grundsätzlichen habe ich in der ersten Lesung schon einiges gesagt. Deshalb kann ich es mir jetzt in der Kürze der Zeit erlauben, nur einige Konflikte und Herausforderungen anzureißen, die in der Debatte bisher zu kurz gekommen sind.
Erstens: Klimaschutz. Die Ministerin hat die Herausforderungen schon treffend dargestellt. Wir stehen kurz vor der Klimakonferenz von Bali. Ein ganz wichtiger Bereich ist der Schutz der Tropenwälder. Ich weiß, dass das auch dem Kollegen Ruck sehr am Herzen liegt. Um Ihrer Frage zuvorzukommen: Mit dem, was unter Rot-Grün dort erreicht wurde, bin ich nicht zufrieden. Da muss noch kräftig draufgesattelt werden.
Sir Nicholas Stern hat es ausgerechnet und beziffert: Wir brauchen 15 Milliarden Dollar pro Jahr für einen effektiven Tropenwaldschutz. Das macht deutlich, wie riesig die Herausforderung ist. 20 Prozent der CO2-Emmissionen resultieren allein aus der Zerstörung der tropischen Regenwälder. Deshalb ist es absolut notwendig, dort sehr viel mehr zu tun. Wir haben das in mehrere Anträge für einen Klimaschutzhaushalt hineingeschrieben. Wir sehen, dass es ermutigende Ansätze gibt, aber das reicht bei weitem nicht aus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Notwendig sind auch Pilotprojekte, damit die finanzielle Kompensierung und Honorierung von vermiedener Entwaldung weiterentwickelt werden kann. Dort steckt der Teufel im Detail, und es ist sehr schwierig, die richtigen Instrumente zu finden, mit denen keine falschen Anreize geschaffen werden. Die Einbeziehung des Tropenwaldschutzes in ein Kioto-II-Abkommen und in den Clean-Development-Mechanism ist notwendig. Hier muss es viel mehr Rückenwind geben.
Zweitens. Der Bereich Bio- oder Agrartreibstoffe hängt damit zusammen. Heike Hänsel hat deutlich auf die negativen Erscheinungen in Indonesien hingewiesen. Sie sind wirklich himmelschreiend und müssen gestoppt werden. Daraus kann aber nicht gefolgert werden – für Indonesien natürlich schon –, die Entwicklung jetzt einfach anzuhalten. Durch ein Moratorium für fünf Jahre wird das Ganze nicht aufgehalten.
Es ist notwendig, sich jetzt ganz schnell einzuklinken, mit Hochdruck den Ausbau der Biotreibstoffe mit ökologischen und sozialen Leitplanken zu versehen und ein Zertifizierungssystem hochzuziehen, das nicht nur die einzelnen Plantagen im Blick hat, sondern auch die Verdrängungsmechanismen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb bin ich sehr froh, dass es nach langer Zeit erstmals wieder gelungen ist, für den 23. Januar 2008 eine gemeinsame Anhörung von drei Ausschüssen – Agrarausschuss, Umweltausschuss und Entwicklungsausschuss – anzusetzen, auf der genau dieses Thema beleuchtet werden soll. Hier wird es um die Fragen gehen, wie die Biotreibstoffe so ausgebaut werden können, dass es nicht zulasten der Hungernden und zulasten des Klimas geht, wie Klimaschutzeffekte genutzt werden können und welche Leitplanken eingezogen werden müssen.
Zum Schluss – die Zeit läuft ab – möchte ich den Konflikt ansprechen, der hier immer zwischen den Zeilen zum Ausdruck kam. Herr Kollege Koppelin hat mehrfach eingefordert, dass die Ministerin mehr auf das Parlament hören und das Parlament ernster nehmen soll.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das steht in der Verfassung!)
– Ja, natürlich. – Zum Parlament gehört aber nicht nur der Haushaltsausschuss, sondern natürlich auch der entsprechende Fachausschuss.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
In vielen Konfliktpunkten kommen unsere Ausschüsse zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Auch das muss hier einmal diskutiert werden und sollte auch in allen Fraktionen offener diskutiert werden.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Einschlägig ist aber der Gesetzesbeschluss vom Freitag, Herr Kollege! Das ist der Auftrag an die Regierung!)
Ich nenne einige Konfliktpunkte:
Erstens. Zum Thema Budgetfinanzierung haben wir eine große Anhörung durchgeführt, die nicht zu dem Ergebnis kam, dass dies alles schlecht ist und die Mittel dafür gesperrt werden sollten.
Zweitens. Auch beim Thema multilaterale und bilaterale Entwicklungszusammenarbeit sind wir zu einer anderen Bewertung gekommen und können die Verteidigung der anachronistischen Zweidrittel‑/Eindrittelregelung nicht verstehen.
Drittens. Ich bin der FDP dankbar, dass sie eine Anhörung ansetzen möchte, die sich mit der Frage befasst, wann Außenwirtschaftsförderung sinnvoll und legitim ist und wann sie Missbrauch von Steuergeldern darstellt, etwa wenn ein einzelnes Unternehmen den Zuschlag bekommt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Koppelin [FDP]: Sehr gut!)
Wenn Sie das genannte Projekt von Siemens als Klimaschutzmaßnahme verkaufen wollen, muss auf Folgendes hingewiesen werden: Es wird so oder so realisiert; wenn nicht von Siemens, dann von einem anderen Konsortium.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)
Das Vorhaben, Steuermittel dafür aufzuwenden, damit ein deutsches Unternehmen den Zuschlag bekommt, hat ein Vertreter von Transparency International schon einmal vorsichtig als Staatskorruption bezeichnet. Ich denke also, dass eine Diskussion zwischen Außenwirtschaftsförderern und Entwicklungspolitikern dringend notwendig ist.
Das Ganze wird auch nicht dadurch besser, dass jetzt ein Neben-Entwicklungsminister, nämlich Herr Glos,
(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Glos ist ein guter Mann!)
Projekte der finanziellen Zusammenarbeit am BMZ vorbei realisiert. Da möchten wir noch ganz große Fragezeichen setzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)