Für ein Entwicklungspartnerschaftsabkommen der Europäischen Union (EU) mit den Staaten der Afrika-, Karibik-, Pazifikgruppe (AKP)
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Cotonouabkommen ist der Abschluss von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten vorgesehen. Zu den AKP-Staaten – das sind überwiegend ehemalige britische und französische Kolonien in Afrika sowie aus der Karibik- und der Pazifik-Region – zählen viele der ärmsten Länder dieser Erde.
Mit den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen werden die erklärten Ziele verfolgt, die Armut zu bekämpfen und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Bisher steuert die EU-Kommission aber deutlich an diesen Zielen vorbei. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Handelskommissar der Europäischen Union, Peter Mandelson, für dieses Abkommen zuständig ist und dass der Entwicklungskommissar, Louis Michel, bei den Verhandlungen am Katzentisch sitzt. Der Handelskommissar folgt anderen Prioritäten als der Entwicklungskommissar.
Das wird deutlich, wenn man die Grundsatzreden der beiden miteinander vergleicht und ins Detail geht. Der Handelskommissar denkt vor allem an die wirtschaftlichen Interessen der Europäischen Union. Dabei hat er zuerst die Wünsche der Exportindustrie im Ohr: Abbau von Handelshemmnissen, Zollsenkungen in den Partnerländern, Liberalisierung des Dienstleistungssektors, Investitionsschutzabkommen. Dabei sind die Märkte der AKP-Länder gar nicht so interessant. Mithilfe dieser Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit schwachen AKP-Ländern kann man auf der internationalen Bühne aber Barrieren beseitigen, die sich auf der Ebene der WTO aufgrund des geschlossenen Widerstandes der Entwicklungs- und Schwellenländer so noch nicht einreißen ließen.
So verwundert es auch nicht, dass die Europäische Kommission in den Verhandlungen mit den AKP-Staaten all diese Streitpunkte, die zum bisherigen Scheitern der WTO-Verhandlungen bzw. zu einer Sackgasse dort geführt haben, wieder auf die Agenda gehoben hat: die sogenannten Singapurthemen, die Liberalisierung des Dienstleistungssektors – GATS lässt grüßen –, Absenken des Außenschutzes.
Auf die schwachen AKP-Länder wird ein erheblicher Druck ausgeübt, deutlich mehr zu bieten, als es ihnen bei den WTO-Verhandlungen möglich war. Das ist unfair, weil hier ein Riese mit einer Gemeinschaft von Zwergen verhandelt. Die AKP-Staaten stehen mit dem Rücken zur Wand, weil die Zollpräferenzen, die ihnen aufgrund älterer Abkommen von der EU noch eingeräumt werden, nicht mit der WTO kompatibel sind und auslaufen müssen. Aus diesem Grunde ist auch das Argument unsinnig, das oft gebraucht wird, dass die AKP-Staaten keine neuen Abkommen zu unterschreiben brauchen, wenn sie ihnen nicht passen.
Die AKP-Staaten sind in der Position des Schwächeren, und die Europäische Union sollte dies nicht ausnutzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir plädieren für eine Politik der Europäischen Union, die sich an den Grundsätzen orientiert, die Entwicklungskommissar Michel formuliert hat. Den AKP-Staaten sollen durch neue Abkommen – wir nennen sie im Antrag bewusst Entwicklungspartnerschaftsabkommen – neue Spielräume für eine nachhaltige Entwicklung geschaffen werden. Nun werden wir uns in dieser Debatte sicherlich wieder über zwei Grundsatzfragen streiten: Sind die Interessen der Europäischen Union mit denen der AKP-Entwicklungsländer überhaupt vereinbar? Ließen sich diese Abkommen so gestalten, dass es zu einer Win-win-Situation kommt?
Die zweite Grundsatzfrage: Trägt die Öffnung der Märkte zur Armutsbekämpfung bei, oder bewirkt Handelsliberalisierung in vielen Fällen eher das Gegenteil? Die Europäische Kommission sieht das ganz undogmatisch, aber egoistisch: Sie schützt ihren Agrarmarkt mit hohen Zöllen und subventioniert ihre Agrarexporte – mit katastrophalen Auswirkungen für die Entwicklungsländer. In einem Teilbereich praktiziert sie also genau das Gegenteil von freier Marktwirtschaft und Freihandel. Von den Entwicklungsländern fordert sie aber eine sehr weitreichende Absenkung ihres Außenschutzes, besonders im Dienstleistungsbereich und für Industriegüter. Das ist ein wirklich unmoralisches Messen mit zweierlei Maß. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)
Ich plädiere auch dafür, undogmatisch an diesen Grundsatzstreit heranzugehen; aber in einem ganz anderen Sinne. Entscheidend ist, was am Ende für die große Mehrheit der Bevölkerung herauskommt. Mehr Freihandel kann zu einer nachhaltigen Entwicklung und Armutsbekämpfung beitragen, aber nur dann, wenn es genügend Schutzmechanismen gibt und wenn in den Partnerländern flankierende Steuer-, Sozial- und Umweltgesetze beschlossen und auch eingehalten werden.
Zur Frage der möglichen Win-win-Situation: Beschränkt man dies allein auf Wirtschaftsinteressen im engeren Sinne, dann wird es schwierig. Dann würde ich eher dafür plädieren, dass der Riese sich ein Stück zurücknimmt und den Zwergen mehr Gestaltungsspielraum lässt. Was geschehen kann, wenn ein Riese seine Übermacht ausnutzt, kann man vor der Westküste Afrikas besichtigen. Als Folge eines Fischereiabkommens sind die Fischgründe leergefischt. Eine große deutsche Zeitung titelte: Die EU produziert ihr Flüchtlingsproblem selbst. – Auch Bundespräsident Köhler hat auf seiner Afrikareise jetzt sehr deutliche Worte zu diesem Fischereiabkommen gesagt.
Daraus müssen wir für die neu zu verhandelnden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Ländern lernen. Sie müssen den Geist der Gerechtigkeit atmen. Sie müssen entwicklungsverträglicher sein. Nur dann können sie zu einer Win-win-Situation führen. Wir hoffen, dass unser Antrag zu dem notwendigen Kurswechsel beiträgt und dass sich zumindest die Bundesregierung für einen solchen Kurswechsel in der EU stark macht. Denn wenn es so weiterläuft wie bisher, dann führen diese Verhandlungen nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)