Europäische Gemeinschaft und Andengemeinschaft
Rede zum "Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. Dezember 2003 über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Andengemeinschaft und ihren Mitgliedern (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela) andererseits" (16/8654)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum fünften Mal findet in wenigen Wochen ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU, Lateinamerikas und der Karibik statt.
Leider beschränkte sich das Ergebnis der bisherigen Gipfel zu oft darauf, dass man die gemeinsamen Werte der beiden Regionen hochhielt. Viel Substantielles ist bisher noch nicht zu Stande gekommen. Ursprüngliches Ziel der Gipfel war es, die Beziehungen zwischen den beiden Regionen zu stärken und zu vertiefen, um "eine strategische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert" zu schaffen.
Allein die Tatsache, dass es in Deutschland über vier Jahre gedauert hat, das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit mit der Andengemeinschaft zu ratifizieren, lässt die Beteuerungen, wie wichtig die Partnerschaft mit Lateinamerika und der Karibik für die EU sei, in einem anderen Licht erscheinen. In einem Licht, dass der Wichtigkeit dieser Partnerschaft nicht gerecht wird! Aber wir werden vor dem Gipfel auch in diesem Hause noch Gelegenheit haben, uns hiermit eingehender zu beschäftigen.
Assoziationsabkommen mit regionalen Integrationsbündnissen sind ein Instrument, um die "strategische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert" umzusetzen. Im Juni 2007 haben die EU und die Andengemeinschaft Verhandlungen für ein Assoziationsabkommen aufgenommen. Sie gestalten sich jedoch zäh, ein Abschluss ist nicht in Sicht. Beim Abkommen mit dem Mercosur sieht es ähnlich aus.
Bei unserer heutigen Debatte geht es jedoch zunächst um ein Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit, das wiederum die Grundlage für ein Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Andengemeinschaft bildet.
Die Andengemeinschaft setzt sich aus vier Staaten zusammen, die erhebliche wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten zu lösen haben: In Bolivien leben 60% der Bevölkerung in Armut, in Kolumbien fast 50%. In Bolivien und Ecuador werden neue Verfassungen erarbeitet. Prozesse, die, vor allem in Bolivien, zu starken Spannungen innerhalb der Gesellschaft führen. In Kolumbien herrscht nach wie vor ein interner Konflikt. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im März dieses Jahres drohte gar die Regionalisierung des Konflikts, nachdem kolumbianische Truppen Mitglieder der FARC auf ecuadorianischem Gebiet töteten.
In dieser unbeständigen Region kann und muss die EU einen Beitrag zu Stabilität und Entwicklung leisten. Ein künftiges Assoziationsabkommen muss dazu beitragen, die Demokratien zu konsolidieren, Konflikte zu lösen, die regionale Integration zu stärken und die Wirtschaft zu stabilisieren. So kann die EU zur nachhaltigen Entwicklung der Länder beitragen. Dabei darf nie außer Acht gelassen werden, wem diese Entwicklung vor allem zugute kommen muss: den Armen.
Ein faires Abkommen muss einen verbesserten Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte aus der Andengemeinschaft schaffe – nicht nur für Rohstoffe sondern auch für weiterverarbeitete Produkte,. Gleichzeitig muss aber auch über ökologische und soziale Mindeststandards und Nachhaltigkeitskriterien gesprochen werden – ebenso wie über einen Abbau der Handel verzerrenden Agrarsubventionen der EU.
Diese Öffnung der europäischen Märkte darf aber nicht gleich wieder durch noch umfangreichere Zugeständnisse der anderen Seite bei Investitionen, Dienstleistungen und dem öffentlichen Beschaffungswesen zunichte gemacht werden. Nur so kann eine positive Außenhandelsbilanz der schwächeren Länder zu deren finanziellen Stabilität beitragen. Und ihnen muss das Recht zugestanden werden, mit dem Ziel der Ernährungssouveränität ihren Agrarsektor zu schützen – und ebenso den sich noch im Aufbau befindenden Industrie- und Dienstleistungssektor. Besonders Bolivien wehrt sich gegen Liberalisierungsdruck von Seiten der EU. Den Partnerländern muss das Recht zugestanden werden, ihren eigenen Entwicklungspfad zu definieren und zu beschreiten.