Beziehungen EU-Lateinamerika
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Im Titel des Antrages, den wir hier debattieren, heißt es "nach dem Gipfel". Der Inhalt ist jedoch weitestgehend identisch mit einem Vorgängerantrag, der "vor dem Gipfel" hieß. Da der erste Antrag schlecht war, ist es auch dieser. Das Hauptproblem liegt nicht in den vielen einzelnen Klein-Klein-Punkten. Das Problem dieses Antrags ist ein sehr politisches. Der Antrag wird aus einer vollkommen defensiven Haltung heraus geschrieben. Es gibt keinerlei Elemente für eine lebendige, konstruktive Zusammenarbeit zwischen Lateinamerika und Europa. Nach Lektüre ihres Antrags hat man den Eindruck, dass Eu-ropa ein neoliberales Feuerwerk gegen den lateinamerikanischen Kontinent abfeuert, dem sich die Indigenen, die Schwarzen und die Kubaner mit aller Kraft zu erwehren haben. Ich glaube sie legen sich da eine Scheinwelt zurecht.
In Wirklichkeit haben wir es mit einem stark abnehmenden Interesse in Deutschland und Europa gegenüber Lateinamerika zu tun. Dies hat mehrere Gründe: Die Lateinamerikaner tauchen bei uns nicht als Flüchtlinge auf, die Wirtschaftsdynamik dort ist eher schwach, nicht zu vergleichen mit den asiatischen Tigern. Und selbst die Bedrohung durch lateinamerikanische Drogen hat abgenommen. Sie wurden zum Teil durch synthetische Drogen ersetzt oder kommen aus anderen Regionen, zum Beispiel aus Afghanistan, zu uns.
Wir wollen die rückläufigen Beziehungen mit Lateinamerika ausbauen. Dafür müssen wir aber kreativ sein, müssen offen und konstruktiv sein, müssen bereit sein, wirkliche strategische Partnerschaften einzugehen.
Aus unserer Sicht lohnt sich das sehr, und es gibt wunderbare Anknüpfungspunkte: Die jüngsten Wahlsiege in Lateinamerika bringen deutlich den Wunsch der Menschen nach sozialen Reformen und nach einer stärkeren Einbeziehung der bisher rechtlosen indigenen Bevölkerung zum Ausdruck. Positiv sind auch das Bestreben nach einer deutlichen Differenzierung in den Außenbeziehungen sowie der ausgesprochene Wille zur regionalen Integration.
Kurzum: Wenn Sie einen guten Antrag zum Thema lesen wollen, dann verweise ich Sie auf unseren Antrag vom 15. März letzten Jahres. Wir fordern die EU auf, die positive politische Konjunktur in Lateinamerika zu nutzen, um eine echte strategische Partnerschaft aufzubauen. Inhaltlich soll sich die enge Kooperation auf die politische und wirtschaftliche Unterstützung der regionalen Integration, eine umwelt- und energiepolitische Zusammenarbeit, die Förderung der demokratischen Konsolidierung und der Menschenrechte sowie der Ko-operation im Hochschulbereich konzentrieren. Um in diesen Bereichen deutlich Flagge zu zeigen, gilt es, auch die Mittel aufzustocken. Auf EU-Ebene und in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Lateinamerika.
Ganz besonders möchte ich noch unsere Position zu Kolumbien hervorheben. Die Koalition scheint da ja heillos zerstritten zu sein. Bisher war sie nicht in der Lage, überhaupt einen Antrag zu Lateinamerika vorzulegen, nicht mal zum EU-Lateinamerikagipfel letztes Jahr in Wien. Der Umgang mit Kolumbien und seinem autoritären Präsidenten Uribe scheint ein wesentlicher Konfliktpunkt zu sein. Es ist beunruhigend, dass die kolumbianische Regierung in der deutschen Außenpolitik hofiert wird. In keinem anderen Land Lateinamerikas gibt es so eklatante Menschenrechtsverletzungen, soviel Zusammenspiel zwischen Regierung, Politik und paramilitärischen Mörderbanden wie in Kolumbien. In keinem anderen Land gibt es Millionen von Binnenflüchtlingen. Wir möchten nicht, dass Deutschland und Europa sich immer mehr zum Juniorpartner des "Plan Colombia" der USA machen.
Wir fordern, dass bei der bilateralen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit mit Kolumbien zuvorderst der Schutz der Menschenrechte und die Sicherheit von Menschenrechtsaktivisten stehen. Und es gilt, sich keinen Initiativen wie dem Plan Colombia anzuschließen, die zum Ziel haben, den Drogenanbau durch rein militärische und umweltzerstörende Mittel einzudämmen. Es macht auch keinen Sinn, bei der Bekämpfung der Guerilla allein auf militärische Mittel zu setzen. Nur eine Verhandlungslösung kann Kolumbien aus der jahrzehntelangen bewaffneten Konfrontation herausführen.