Afrikapolitik
Die Koalition hat zur Afrikapolitik einen Antrag vorgelegt, der viele Wahrheiten enthält, - bei dem ich auch als Oppositionspolitiker kaum ein Haar in der Suppe finden kann. Und trotzdem reicht uns das nicht für eine Zustimmung. Wir werden uns der Stimme enthalten – weil in Ihrem Antrag trotz der Vielzahl von 32 Spiegelstrichen Entscheidendes fehlt.
Sie drücken sich vor einigen unbequemen Themen – und das sind gerade die Bereiche, in denen eine Kurskorrektur dringend notwendig ist.
- 1. Der Agrarbereich: Zumindest die hauseigene Evaluierungsabteilung der Weltbank hat gestern vorgemacht, dass es auch möglich ist, aus Fehlern zu lernen und eine Kurskorrektur zumindest zu beschreiben: Das, was die Weltbank in den letzten 20 Jahren auf dem Agrarsektor in Afrika gemacht hat, ist unter dem Strich betrachtet an der Hauptzielgruppe – den Ärmsten der Armen, den Hungernden – vorbeigegangen. So das gestern veröffentlichte Ergebnis der Selbstüberprüfung, aus dem gefolgert wird, dass künftig nicht mehr in erster Linie das Agrobusiness, also die Produktion von Exportgütern auf Großplantagen, im Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit stehen sollte - sondern die gezielte Förderung von Kleinbauern. Denn gerade Kleinbauern, die nachhaltig heimische Grundnahrungsmittel für lokale und regionale Märkte anbauen, sind das Rückgrat für die Ernährungssicherheit.
Ich werde nicht müde, hier immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass trotz aller Erfolgsmeldungen, trotz guter Wachstumsraten in vielen afrikanischen Staaten, die Zahl der Hungernden auf diesem Kontinent steigt.
Die europäische und die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat auf dem Agrarsektor die gleichen Fehler gemacht wie die Weltbank. Die Weltbank hat das Problem jetzt wenigstens erkannt. Diese Erkenntnis und vor allem die daraus zwingend erforderliche Kurskorrektur stehen bei der EU-Kommission und der Bundesregierung noch aus.
- 2. Das riesengroße Kohärenzproblem, was wir vor allem in der europäischen Afrikapolitik haben, das können wir im Koalitionsantrag bestenfalls ganz kleinlaut und schüchtern zwischen den Zeilen lesen, wenn beispielsweise in einem Spiegelstrich auf das Problem der Überfischung der Fanggründe vor den Küsten Westafrikas hingewiesen wird. Da hätten Sie sich ein Beispiel an unserem Bundespräsidenten nehmen können, der in diesem Zusammenhang sehr viel mutiger und deutlicher geworden ist. Er hat von doppelten Standards und Schandverträgen gesprochen, die die Europäischen Union afrikanischen Partnerstaaten aufgezwungen hat – oder die auf abenteuerliche Weise zustande gekommen sein müssen, weil sie überhaupt nicht im Interesse einer echten Partnerschaft zwischen Afrika und Europa liegen und keiner nachhaltigen Entwicklung dienen. Sie dienen nur Partikularinteressen – vielleicht einigen korrupten afrikanischen Ministerialbeamten und einigen europäischen (in diesem Fall überwiegend niederländischen) Fischereiunternehmen.
Das, was die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten erreichen will – und was auch in den meisten Fällen zumindest gut gemeint ist – wird (und da könnte ich Ihnen Hunderte von Beispielen präsentieren) oft von anderen Politikbereichen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten wieder zerstört.
Ich erwarte, dass auf dem afrikanisch-europäischen Gipfeltreffen in Lissabon endlich diese Widersprüche, die es auf beiden Seiten en masse gibt, frisch, und frei und mutig angesprochen werden.
Und das Gleiche gilt für das Thema Menschenrechte und Demokratie. Wir halten nichts von dem britischen Vorschlag, den Gipfel eher wieder platzen zu lassen, als sich mit dem grausamen Diktator Robert Mugabe an einen Tisch zu setzen.
Aber es wäre genauso fatal, Mugabe kommen zu lassen und so zu tun, als sei in Zimbabwe nichts geschehen.
Wir erwarten von der Bundesregierung, zum Zustandekommen und zum Erfolg des Gipfels von Lissabon beizutragen – und dafür zu sorgen, dass das Thema Menschenrechte auf keinen Fall elegant umschifft wird. Dass, was in Zimbabwe geschieht, in Darfur, in Teilen Kongos – das gehört auf die Tagesordnung.
Dass die internationale Gemeinschaft eine "responsibility to protect" hat, eine Verpflichtung, Bedrängten und unter extremer Not Leidenden beizustehen, Menschenleben zu retten, …das ist noch nicht überall angekommen – und muss immer wieder betont, verteidigt und durchgesetzt werden gegenüber Partikularinteressen aus ganz unterschiedlichen Lagern.
Es gibt in Afrika viele Hoffnungszeichen, die Anlass zur Freude geben und gefördert werden sollten. Aber noch immer leiden viele Menschen in Afrika sowohl unter postkolonialer Ausbeutung als auch unter einigen Machthabern, die als Befreiungskämpfer starteten und im Laufe der Jahre mutiert sind zu halsstarrigen Despoten.
Nur wenn wir den Mut haben, frei von Ideologien die ganz unterschiedlichen Fehlentwicklungen anzusprechen, kann es die Kurskorrekturen geben, die jetzt einfach dran sind.