WTO Runde vom Durchbruch weit entfernt
Anlässlich der WTO-Ministerkonferenz in Genf erklären Thilo Hoppe, Sprecher der AG Globalisierung, Global Governance und Welthandel und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, außenwirtschaftspolitischer Sprecher:
Die WTO-Ministerkonferenz in dieser Woche in Genf geschieht vor dem Hintergrund der noch längst nicht ausgestandenen Finanzkrise, der hohen Rohstoffpreise, des verschärften globalen Hungerproblems und des fortschreitenden Klimawandels. Die WTO ist zwar nicht für die Lösung der Weltprobleme verantwortlich. Alle Ergebnisse der WTO-Verhandlungen müssen aber gewährleisten, dass Übereinkommen an anderer Stelle nicht erschwert oder gar blockiert werden.
Wer die aktuellen Gespräche in Genf betrachtet, muss den Beginn der Welthandelsrunde 2001 Revue passieren lassen. Von einer "Entwicklungsrunde" war damals und ist noch heute die Rede. Vor allem den Entwicklungsländern wurde angekündigt, als Gewinner aus den Verhandlungen hervorzugehen.
Nun drohen die Mitgliedstaaten einmal mehr an der Komplexität der Verhandlungen zu scheitern. Kein Grund zur Freude, denn ein globales regelbasiertes Handelssystem ist einer Vielzahl von bilateralen Abkommen grundsätzlich vorzuziehen – allerdings nur dann, wenn das reine Liberalisierungsdogma der WTO überwunden wird. Ein Abschluss der sogenannten "Doha-Entwicklungsrunde" setzt aus unserer Sicht voraus, dass die Perspektive für eine nachhaltige Entwicklung für alle Länder deutlich verbessert wird.
Jedoch sind weder die Angebote der EU noch der USA zur Reduzierung handelsverzerrender Agrarsubventionen ausreichend, um einen Durchbruch in Genf zu erzielen. Der Misserfolg ist vorprogrammiert. Diese Angebote sind zudem mit zahlreichen Ausnahmen für "sensitive" Produkte der Industrieländer versehen. Die USA beharrt auf der perfiden Forderung, die sogenannte "Friedensklausel" wiedereinzuführen. Danach ist es Ländern untersagt, gegen unlautere Praktiken bei der Agrarsubventionierung die Streitschlichtung der WTO formell anzurufen. Wir fordern von der EU und den USA das schnelle Auslaufen aller handelsverzerrenden Agrarsubventionen. Diese sind weder den Entwicklungsländern noch den Steuerzahlern zuzumuten.
Viele Entwicklungsländer brauchen - angesichts der dramatischen Preisentwicklung von Lebensmitteln - ausreichende Schutzmöglichkeiten bei Grundnahrungsmitteln, um die eigene Bevölkerung zu ernähren und die ländliche Entwicklung zu fördern. Kleinbauern müssen vor unfairer Konkurrenz geschützt werden. Das gilt nicht nur für die ärmsten Länder. Ein indischer Handelsminister beispielsweise kann die Interessen von immer noch rund 650 Millionen Kleinbauern nicht ignorieren. Das Menschenrecht auf Nahrung darf auf keinen Fall durch WTO-Vereinbarungen konterkariert werden.
Eine ganze Reihe von Entwicklungsländern wird den Verhandlungen nur zustimmen, wenn Schutzmöglichkeiten auch für sich im Aufbau befindende Industrien eingeräumt werden.
Mittelfristig muss die WTO als globales Handelssystem Nachhaltigkeitsstandards berücksichtigen. Noch aber stehen in Genf ökologische und soziale Aspekte nicht auf der Agenda. Das muss sich in Zukunft ändern.