G8 muss bei Weltagrarkrise glaubwürdig handeln
Zu den G8-Beratungen mit sieben afrikanischen Staaten am Montag im japanischen Tokoya und zur Nahrungsmittelkrise erklären Jürgen Trittin, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Thilo Hoppe, Leiter der AG Globalisierung, Global Governance und Welthandel:
Drei Dinge verändern die globale Landwirtschaft grundlegend: der Klimawandel, die hohen Energiepreise und die steigende Weltbevölkerung. Bei den Beratungen mit den afrikanischen Staaten, die besonders betroffen sind, stehen die strukturelle Agrarkrise und die steigenden Nahrungsmittelpreise im Mittelpunkt. Bundeskanzlerin Merkel hat gegenüber ihren G8- Kollegen im Vorfeld des Gipfels die Krise als dramatisches Problem für Stabilität und Sicherheit angesprochen. Die Diagnose ist richtig, doch wie so oft zieht die Kanzlerin bei ihrem Regierungshandeln keine Konsequenzen daraus.
Frau Merkel hätte schon lange gegen die handelsverzerrenden Agrarsubventionen der EU aktiv werden können, statt sich nun wieder einmal als gipfelstürmende Wohltäterin zu inszenieren. Europa und die USA haben die Entwicklungsländer jahrelang gedrängt, Futtermittel für den Export statt Lebensmittel für den eigenen Bedarf zu produzieren. Gleichzeitig haben sie ihre eigenen Märkte vor allem für weiterverarbeitete Agrarprodukte aus Entwicklungsländern abgeschottet. Weiterhin werden Überschüsse der europäischen Agrarpolitik mit Exportsubventionen zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt verschleudert, zurzeit besonders Schweinefleisch. Landwirtschaftliche Produkte aus vielen afrikanischen Entwicklungsländern sind so auf den heimischen Märkten oft nicht mehr konkurrenzfähig.
Im Einklang mit den Vereinten Nationen und ihrer High Level Task Force in the Global Crisis fordern wir Grünen schon lange, mehr in die ländliche Entwicklung der Entwicklungsländer, die kleinbäuerliche Landwirtschaft und die Eigenversorgung im Süden zu investieren. Auch hier hätte Frau Merkel schon lange aktiv werden können. Statt die Kleinbauern des Südens mit genmanipuliertem Saatgut, Stickstoffdünger und chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln "segnen" zu wollen, wie sie es jetzt wieder ankündigte, müssen die Kleinbauern in den Entwicklungsländern darin unterstützt werden, auf nachhaltige Weise gesunde Nahrungsmittel für lokale und regionale Märkte zu produzieren. Darüber hinaus ist der Aufbau angepasster sozialer Sicherungssysteme dringend erforderlich. 100 US-Dollar pro Person und Jahr reichen, um das Überleben der besonders betroffenen Menschen in den Entwicklungsländern zu sichern.
Die UN-Fachleute fordern konkrete Schritte. So sollten die G8-Staaten zehn Prozent der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit für die Förderung der ländlichen Entwicklung ausgeben, Markt zerstörende Subventionen abbauen und ihre Nothilfe durch stärkere Unterstützung des Welternährungsprogramms ausbauen. Wir brauchen einen klaren Beschluss der G8 zum Abbau aller Subventionen, die negative Auswirkungen auf den Agrarsektor in Entwicklungsländern haben, vor allem in Afrika.
Thilo Hoppe ist Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.