„Entwicklungsrunde“ der Welthandelsorganisation vorerst gescheitert
Anlässlich des Abbruchs der WTO-Verhandlungen in Genf erklären Thilo Hoppe, Sprecher der AG Globalisierung, Global Governance und Welthandel, Ulrike Höfken, Sprecherin für Ernährungspolitik und Verbraucherfragen, und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, außenwirtschaftspolitischer Sprecher:
Das Scheitern hat aus unserer Sicht zwei Seiten: Es ist sehr bedauerlich, dass die globale wirtschaftliche Integration vorerst nicht über multilaterale Vereinbarungen vorangebracht werden wird. Denn grundsätzlich ist ein globales, regelbasiertes Handelssystem einer unübersichtlichen Anzahl von bilateralen Abkommen vorzuziehen. Andererseits wäre ein Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde aber nur dann sinnvoll gewesen, wenn die Perspektive für eine nachhaltige Entwicklung für alle Länder deutlich verbessert worden wäre. Doch zu den hierfür notwendigen Zugeständnissen waren insbesondere die Industrieländer nicht bereit.
Das Scheitern der Welthandelsrunde macht deutlich, dass die Machtverhältnisse in der WTO sich verändert haben. Während in den vergangenen Handelsrunden die Industriestaaten weitgehend die Agenda bestimmt und durchgesetzt haben, ist heute ohne die Zustimmung von Schwellenländern wie Indien und China eine Einigung nicht mehr möglich.
Wir kritisieren, dass die EU und USA nicht den notwendigen politischen Willen aufgebracht haben, diese Welthandelshandelsrunde zu der versprochenen "Entwicklungsrunde" zu machen. Ihre Zugeständnisse reichten nicht aus und waren zum Teil doppelzüngig. So forderte beispielsweise die EU bei den Verhandlungen zu Industriegütern, die tatsächlich angewandten Zölle abzubauen. An den besonders entwicklungsschädlichen Exportsubventionen für Agrarprodukte dagegen möchte sie möglichst lange festhalten. Die USA agieren ähnlich scheinheilig bei den handelsverzerrenden internen Subventionen für ihre Landwirtschaft: die von ihnen angebotene Obergrenze von 15 Milliarden US-Dollar ist doppelt so hoch wie die derzeitig tatsächlich gezahlten Unterstützungen.
Die Entwicklungs- und Schwellenländer haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie vor dem Hintergrund hoher Rohstoffpreise und des verschärften globalen Hungerproblems ausreichende Schutzmöglichkeiten für ihre Agrarproduktion brauchen. Kleinbauern in diesen Ländern müssen vor unfairer Konkurrenz geschützt werden. Auch einzelne Industrien, die sich noch im Aufbau befinden, brauchen Schutzmöglichkeiten und können nicht sofort dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt werden.
Ein zentrales Problem der Verhandlungen bestand auch in dem Beharren auf Reziprozität: Für jede Einfuhrerleichterung wird sofort eine Gegenleistung verlangt. Wir fordern dagegen das schnelle Auslaufen aller handelsverzerrenden Agrarsubventionen der EU und USA.
In der gegenwärtigen Krise der WTO liegt auch eine Chance: Während im Rahmen der jetzt festgefahrenen WTO-Verhandlungen allein die Handelsliberalisierungen auf der Tagesordnung stehen, wird in anderen multilateralen Institutionen wie der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und der von VN-Generalsekretär Ban Ki Moon kürzlich ins Leben gerufenen Hunger-Task-Force verstärkt über die Notwendigkeit eines globalen Ressourcenmanagements diskutiert. Eine WTO, die ökologische und soziale Fragen noch nicht einmal auf die Agenda setzt, ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit und gehört auf den Prüfstand. Wir brauchen eine stärkere Vernetzung multilateraler Organisationen oder sogar neue Institutionen, die tatsächlich in der Lage sind, auf Herausforderungen wie den Klimawandel und die Welternährungskrise angemessen zu reagieren.