Auch entwicklungspolitische Seniorexperten können irren

Zum "Bonner Aufruf für eine andere Entwicklungspolitik" erklären Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin, und Thilo Hoppe, Leiter der AG Globalisierung, Global Governance und Welthandel:

Auch verdiente Mitstreiter der internationalen Zusammenarbeit können falsch liegen. Der Bonner Aufruf von Rupert Neudeck, Winfried Pinger und anderen offenbart ein antiquiertes Verständnis von Entwicklungspolitik. Heutige Entwicklungspolitik will zweierlei tun: Strukturen beeinflussen, die entwicklungsförderlich sind, sowohl innerhalb von Staaten als auch im Verhältnis zwischen Staaten. Und zweitens die Lebensverhältnisse, wo immer möglich, direkt verbessern. Die Autoren des Aufrufs setzen ausschließlich auf Letzteres. Das greift zu kurz. Die Vorstellung möglichst nicht mit staatlichen Stellen zu arbeiten, hält der Wirklichkeit nicht Stand.

Die Herausforderungen des Klimawandels, des Umwelt- und Ressourcenschutzes werden für Entwicklungsländer gar nicht erst benannt. Damit sind auch Fragen der Gerechtigkeit berührt, denn die Industrieländer sind für den Klimawandel wesentlich verantwortlich.

Wer vom Scheitern der Entwicklungspolitik spricht, muss klar benennen, wofür diese verantwortlich ist und wofür nicht. Eine ungerechte Struktur des internationalen Handelssystems beispielsweise kann nicht der Entwicklungspolitik angelastet oder durch sie ausgeglichen werden.

Ebenso wenig ist Entwicklungspolitik verantwortlich für Korruption, mangelnde Entwicklungsorientierung der Eliten oder gar Krieg.

Dass der "Norden" Afrika nicht entwickeln kann, ist eine Binsenwahrheit, die in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit seit Jahren erkannt ist.

Um Probleme anzugehen, reicht reine Basisarbeit nicht aus. Will man Strukturen verändern, muss man mit Regierungen und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, mit dem Ziel demokratische Strukturen und Prozesse zu stärken. 

Dass die Entwicklungszusammenarbeit vor neuen Herausforderungen steht, ist klar: Neue Geber von China bis Bill Gates verändern die Entwicklungspolitik. Die Herausforderungen der besseren Abstimmung zwischen allen Akteuren und die Erhöhung der Qualität der Zusammenarbeit wird diese Woche Thema der internationalen Konferenz in Accra, Ghana sein. Der Bonner Aufruf leistet dazu keinen zukunftsträchtigen Beitrag.

 

Thilo Hoppe ist Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.