Ernährungskonferenz in Madrid
Vom 26. bis 27. Januar kamen in Madrid Vertreter aus 95 Ländern zusammen, um über Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Nahrungsmittelkrise zu beraten. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki Moon und der spanische Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero hatten zu dem hochrangigen Treffen gebeten. Als Nachfolgekonferenz des Welternährungsgipfels von Rom im Mai 2008 hatte sich die Madrid-Konferenz zum Ziel gesetzt, die Versprechungen und Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Bekämpfung des Hungerproblems zu überprüfen. Trotz leicht gesunkener Rohstoffpreise ist die globale Ernährungskrise aktueller denn je: Die Zahl der Hungernden ist im Laufe des vergangenen Jahres laut Welternährungsorganisation von 850 auf 963 Millionen Menschen gestiegen und hat mittlerweile die Milliardengrenze erreicht . Das erste Millenniumentwicklungsziel, den Anteil der Hungernden und Armen bis zum Jahr 2015 zu halbieren, rückt damit in immer weitere Ferne und verdeutlicht das Scheitern der internationalen Gemeinschaft.
Uneingelöste Versprechungen
Die Konferenz in Madrid ist der Herausforderung, diesem "stillen Tsunami" endlich entschieden entgegen zu treten, nicht gerecht geworden. Statt kritisch darüber Bilanz zu ziehen, was seit dem letzten Welternährungsgipfel getan und unterlassen wurde, versuchten sich alle Akteure ins rechte Licht zu setzen. Bei all dem Selbstlob wurde verschwiegen, dass viele Versprechungen, die auf dem Welternährungsgipfel im Mai 2008 in Rom gemacht wurden, bisher nicht eingelöst wurden. Von den damals zugesagten zusätzlichen zwölf Milliarden Dollar zur Bekämpfung des Hungers sind noch nicht einmal 25 Prozent tatsächlich gezahlt worden. Die Entwicklungsländer forderten erneut massive Unterstützung von den Industrienationen. Bis auf Spanien, das für die kommenden fünf Jahre eine Milliarde Euro zur Bekämpfung der Krise zugesagt hat, wollte die Gebergemeinschaft jedoch keine weiteren konkreten Zusagen machen. Anders als bei der Finanz- und Wirtschaftskrise bleibt das entscheidende Hindernis zur Lösung der Welternährungskrise der mangelnde politische Wille.
Falsche Prioritäten
In Madrid wuren viele guten Ideen diskutiert, doch einige Themen fielen unter den Tisch: Zum Beispiel die besorgniserregende Tatsache, dass zur Zeit viele private und staatliche Großinvestoren aus den Industrienationen und arabischen Ölstaaten riesige Flächen in Afrika aufkaufen oder leasen, um dort für den eigenen Bedarf Futtermittel für die Massentierhaltung und Energiepflanzen für die Treibstoffproduktion anzubauen. Auch sind die Großinvestitionen zu beklagen, die einzig der nicht nachhaltigen Lebensweise der Industrienationen dienen und in den Entwicklungsländern oft zur Verdrängung von Kleinbauern und zur Zerstörung der biologischen Vielfalt führen. Statt dieses Problem zu beleuchten und die Frage zu diskutieren, wie diesem Neokolonialismus durch Bodenreformen und Flächennutzungsplanung – orientiert an Menschenrechts- und Nachhaltigkeitskriterien – Einhalt geboten werden kann, wurde eher technische Pseudolösungen des Hungerproblems präsentiert. Doch die Welt mit Kunstdünger zu überziehen und die Produktion durch gentechnisch verändertes Saatgut steigern zu wollen, hilft nur multinationalen Konzernen wie Monsanto, schadet dem Klima und der Bodenfruchtbarkeit und treibt die Kleinbauern in den Entwicklungsländern an den Rand oder in die Schuldenfalle.
Recht auf Nahrung
Es gab in Madrid auch klare Voten dafür, endlich die "Hausaufgaben" zu erledigen und die 2004 in Rom verabschiedeten Leitlinien zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung anzuwenden. Doch die aufrüttelnde Rede von Olivier de Schutter, Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung bei den Vereinten Nationen (im Bild links mit Thilo Hoppe MdB, rechts), stieß bei vielen Ländervertretern und Repräsentanten internationaler Organisationen auf taube Ohren. Auch der Bericht des Weltagrarrates (IAASTD), der Vorschläge für standortspezifische und ökologische Agrarsysteme benennt, fand kaum Beachtung.
Wir brauchen mehr Kohärenz im Kampf gegen den Hunger. Die Anfang 2008 von Generalsekretär Ban Ki Moon eingesetzte High Level Task Force ist ein lohnenswerter Versuch, die verschiedenen internationalen Organisationen und Agenturen an einen Tisch zu bringen. Ob die jetzt in Madrid diskutierte "Neue Globale Partnerschaft für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit" tatsächlich zu mehr Kohärenz und einer effektiven Bekämpfung der Ursachen des Welthungers führt, muss bezweifelt werden. Politikdialoge mit dem Agrobusiness sind notwendig. Die Vertreter von Monsanto und Co dürfen aber auf keinen Fall in den Steuerungsgremien sitzen. Es dürfen keine von der Privatwirtschaft beeinflussten Parallelstrukturen zu den VN-Organisationen aufgebaut werden. Vielmehr müssen die bestehenden Institutionen gestärkt werden und ihre Kooperation weiter ausbauen.
Richtungslose Bundesregierung
Unklar ist auch, welchen Kurs die Bundesregierung verfolgt: Eine Stärkung des Rechts auf Nahrung und einer nachhaltigen, an den Bedürfnissen der Armen ausgerichteten Landwirtschaft oder aber neue Exportoffensiven, die hauptsächlich den Interessen der eigenen Landwirtschaft und Ernährungsindustrie dienen. Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul und Agrarministern Aigner scheinen an einem Strang zu ziehen – aber in verschiedene Richtungen.